Klassenjustiz à la BRD

Während ein Arbeiter für vermeintliche Unterstützung der revolutionären Linken eine hohe Bewährungsstrafe erhält, genießen Rechtsradikale in bundesdeutschen Sicherheitsbehörden Sonderrechte.   

Ein Kommentar von Paul Müller

Der 46-jährige Berliner Cem Kara hat im Dezember vergangen Jahres eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten kassiert. Allerdings setzte der Richter die Strafe auf drei Jahre Bewährung und 360 Sozialstunden aus. Der Kadi des Berliner Landgerichts sah es als erwiesen an, dass der Beschuldige vor rund zehn Jahren Bekennerschreiben der Revolutionären Aktionszellen (RAZ) an Zeitungsredaktionen per E-Mail geschickt hätte. Damit hätte Kara die Brandanschläge der RAZ auf das Haus der Wirtschaft, ein Gebäude der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und das Amtsgericht Wedding in Berlin rechtfertigen wollen. Das Urteil basiert lediglich auf Indizien und nicht auf Beweisen. Ein Polizeizeuge hätte den Berliner in der Nähe eines Eiscafés gesehen, aus dessen WLAN die kriminellen Mails verschickt worden sein sollen. Hintergrund des Prozesses war eine großangelegte Ermittlung gegen neun Beschuldigte. Die Bundesanwaltschaft warf ihnen vor, eine kriminelle Vereinigung unter den Namen RAZ oder Revolutionäre Linke mit der dazugehörigen Zeitschrift Radikal betrieben zu haben.

Wer allerdings den Umsturz von rechts plant und Waffen der Bundeswehr stiehlt, um sie für terroristische Anschläge gegen linke Politiker einzusetzen, erhält im schlimmsten Falle zwei Jahre auf Bewährung. Der rechtsradikale Kommandosoldat Philipp S. hatte eine ganze Waffenkammer versteckt und sich damit auf den „Tag X“ vorbereitet. 2021 verurteilte ihn das Landesgericht in Leipzig zu einer Bewährungsstrafe, weil er mehrere Tausend Schuss Munition, zwei Kilogramm Sprengstoff aus Bundeswehrbeständen sowie eine Kalaschnikow in seinem Garten im sächsischen Collm vergraben hatte.

Wenn man ein rechtsradikales Netzwerk aufbaut, in dem der Umsturz direkt geplant wird, dann hat man wie der ehemalige Kommandosoldat André Schmitt, auch Hannibal genannt, lediglich mit einer Geldstrafe zu rechnen. Allerdings nicht wegen dem Versuch mit einem Freikorps namens Uniter aus Beamten der bundesrepublikanischen Sicherheitsorgane und Experten aus dem freien Sicherheitsgewerbe die Regierung zu stürzen. Sondern wegen dem Verstoß gegen das Waffengesetz, da er Sprengstoff aus Bundeswehrbeständen entwendet hatte. Diese Sprengkörper stellten die Ermittler des BKA 2017 im Autohaus seiner Eltern in Halle sicher. 

In diesem Autohaus in Halle entdeckten die Ermittler 2017 ein Sprengstofflager von André Schmitt. Foto: Paul Müller

Innenministerin Nancy Faeser hat die Rechtsradikalen in den deutschen Sicherheitsbehörden im Blick. Am Freitag stellte sie die Ergebnisse einer entsprechenden Untersuchung vor. 327 Nazis hätte der Verfassungsschutz bei der Polizei und in der deutschen Armee ausfindig machen können. Die Konsequenzen für diese bewaffneten „Nationalrevolutionäre“ sind Disziplinarverfahren, Bewerbungsprobleme innerhalb der Truppe und sensibilisierende Weiterbildungen. Urteile mit einer abschreckenden Wirkung gegen diese Rechtsterroristen in Uniform aus der Atomwaffendivision oder gegen Franco Albrecht vom Uniter-Netzwerk wird es nicht geben. Denn die Klassenjustiz geht nur gegen Arbeiter vor. Solange die Faschisten in den Sicherheitsbehörden die bürgerliche, kapitalistische Ordnung nicht bedrohen, müssen sie auch nicht mit ernsthaften Strafen rechnen.