Die Zahl der Prostituierten in Deutschland wird auf 200 000 bis 400 000 geschätzt. 80 bis 90% aller prostituierten Personen in der BRD sind Zwangs- und Armutsprostituierte, zumeist aus Südosteuropa. Fast alle sind Frauen. Diese Frauen haben keine Krankenversicherung, sind nicht sozialversichert, sie haben keinen Arbeitsvertrag und damit kein Recht auf Lohnfortzahlung oder Entgeltersatzleistung und selten Anspruch auf Hartz IV oder Grundsicherung. Diese Frauen prostituieren sich, weil das die Voraussetzung für die Anmietung eines Bordellzimmers ist oder Unterkunft in einer Bordellwohnung, und um die Miete für die Unterkunft zu zahlen. Sie prostituieren sich, um zu überleben.
In
den Leitlinien zum Kampf gegen die Corona-Epidemie hat die
Bundesregierung am 16.03.2020 auch die sofortige Schließung von
Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen für
den Publikumsverkehr auf bisher unbestimmte Zeit angeordnet. Während
Prostitutionsstättenbetreiber medienwirksam über hohe Fixkosten
ohne Einnahmen und die drohende Insolvenz jammern,
ist die Schließung für viele Prostituierte eine existenzgefährdende
Katastrophe. Politische Forderungen, die sich kritisch mit
Prostitution auseinandersetzen, wie z. B. die Forderung nach
Einführung des Nordischen Modells, denken immer auch die
Ausstiegschancen für die Frauen mit. Die Schließung der Bordelle
ohne jede Unterstützung trifft diese Frauen nicht nur komplett
unvorbereitet, sondern besonders hart.
Es gibt bei den
jetzigen Schließungen keine soziale Absicherung und flankierende
Hilfsmaßnahmen. Das gibt den Bordellchefs wie Armin Lobscheid,
Geschäftsführer des Großbordells Pascha in Köln, die Möglichkeit,
sich als Retter in der Not aufzuspielen, in dem er die Frauen –
angeblich
kostenlos im Bordell wohnen lässt. Er will sie so vor der
Obdachlosigkeit bewahren. Dass diese Frauen bereits vor der
Schließung trotz gesetzlichem Verbot dort wohnten, also quasi
obdachlos waren, nur tageweise eingemietet in einer überteuerten
Unterkunft, geht hinter dieser scheinbar großen Geste unter. Indem
er die Frauen dort wohnen lässt, stellt er auch das reibungslose
Anlaufen des Betriebs sicher und behält Zugriff auf die Frauen. Was
wie eine große Geste ankommt, ist tatsächlich eine riesige
Schweinerei. Die Frauen, die dort jetzt wohnen, sind obdachlos und
mussten
sich prostituieren, um die Zimmermieten von 150,00 € täglich zu
zahlen und dürfen jetzt diese Zimmer als Übernachtungsmöglichkeit
nutzen, in denen sie sonst Freier empfangen.
Sind die Stätten und Einrichtungen geschlossen, in denen sie sich prostituieren können, brechen ihre Einnahmen weg und die Unterkünfte. Es gibt für sie keine Alternativen, weder im Einkommen noch bei den Unterkünften. Freier nutzen die äußerst dramatische Situation, um die Preise noch weiter zu drücken und Sonderwünsche zu erpressen. Zur Schließung der Bordelle und Prostitutionsstätten fehlen Maßnahmen, um die Freier zu bestrafen und den illegal in der Prostitution Tätigen Ausstiegshilfen und finanzielle Absicherung zu bieten, also wenigstens eine Chance, auch ohne Prostitution zu überleben.