Interview: „Rotes Netzwerk Halle“
In der Saalestadt hat das „Rote Netzwerk Halle“ vor einer Woche eine Plakataktion gegen Antideutsche durchgeführt und dazu ein antiimperialistisches Statement veröffentlicht. Die Aktion sorgte in der linken Szene Halles und im Internet für kontroverse Diskussionen. Zwei Mitglieder des Netzwerks gaben Megaphon ein exklusives Interview zu ihrer Plakatkampagne.
Die Antideutschen bildeten in den 90er-Jahren eine Gegenbewegung zu dem deutsch-nationalen Taumel der „Wiedervereinigung“. Im Laufe der Jahre entwickelten sie eine Nähe zur Kriegspolitik der imperialistischen Staaten des Westens. Von ihren linken Wurzeln haben sie sich längst entfernt. In Halle konnten die Antideutschen dennoch ihre Position über die Jahre ausbauen und festigen, in anderen Städten der Bundesrepublik sind sie nicht mehr in Erscheinung getreten. Doch jetzt ist das „Rote Netzwerk Halle“ angetreten, um zu zeigen, warum Antideutsche nicht mehr zur politischen Linken gehören.
Hallo Gerome, hallo Uwe, es gab eine Aktion vom „Roten Netzwerk Halle“, die erste Aktion in Halle. Sie hat auch schon einige Diskussionen auf Instagram hervorgerufen, beim @redmediakollektiv. Dort gab es eine Veröffentlichung und Bilder zu einer Plakataktion zum Thema: „Antideutsche sind keine Linken“. Was ist da passiert?
Gerome: Damit waren diese antideutschen Zentren in Halle gemeint, die ja letztlich Orte sind, wo besonders junge Menschen zum ersten Mal ihre politischen Zusammenhänge finden. Und Kameraden, Freunde, auch Genossen, sage ich mal, sich da zusammentun und die spielen da halt eine wichtige Rolle. Unter Studenten würde man da sagen: Orte der Sozialisierung, der politischen Sozialisierung und ja, die haben eine wichtige Rolle hier für diese Antideutschen, weil sich hier verschiedene Zusammenhänge durchdringen und gleichzeitig ist es sehr auffällig in den Häusern, dass mit verschiedenen Methoden dafür gesorgt wird, dass die andere Einstellungen da auch rauskicken und ihr Ding da durchsetzen wollen und das Auffälligste war ja dann vor einem Jahr, wo da eine Israelfahne wehte, auf dem „VL“. Das ist für uns eine „No-Go“, sich da mit einem Staat so zu solidarisieren, Symbole eines Staates zu zeigen, der ohne Frage Existenzberechtigung, aber auch viel Dreck am Stecken hat und keine gute Rolle spielt im Kampf um Freiheit, Demokratie und was wir uns sonst halt vorstellen für eine befreite Gesellschaft, sondern selber aufgebaut ist auf Unterdrückung und militärischer Gewalt und Menschen da zu Recht in Massen auf die Straßen gehen.
Uwe: Es wurde das „VL“ mit Plakaten markiert, speziell die „AG No Tears for Krauts“ kritisiert, dass sie sich zum Beispiel mit der IB solidarisiert, also der Identitären Bewegung. Da haben wir auch einen Flyer vom April 2018, den wir gerne zitieren, in dem sie schreiben bei einer feministischen Demonstration gegen das IB-Zentrum in Halle:
„Eure Indifferenz gegenüber der Zerstörungswut des Islam ist für das gesellschaftliche Zusammenleben gefährlicher als die ohnehin einflusslosen Mitglieder einer rechten PR-Sekte. Mit euch lässt sich kein Feminismus machen. Kickt euch!“
Flugblatt der „AG No Tears for Krauts“: „Für den Feminismus“, 14.04.2018.
Also da solidarisieren sie sich eindeutig mit der IB und kritisieren die Demonstration gegen dieses Haus, weil sich nicht eindeutig gegen den Islam ausgesprochen wurde bei dieser Demonstration. Der Islam ist anscheinend das wichtigste Thema für die „AG No Tears for Krauts“ und eben auch für Antideutsche in Halle, weil sie da irgendwie die westliche Welt bedroht sehen.
Die „AG Antifa“ wurde mit einem Plakat am Uniplatz kritisiert, die sich auch gegen kritische Wissenschaftler einsetzt, die die israelische Besatzungspolitik kritisieren, wie zum Beispiel Norman Finkelstein.
Die Linkspartei wurde mit einem Plakat markiert, insbesondere die Linksjugend, die ein Sammelbecken von Antideutschen darstellt und die zum Beispiel eine Aktion in Magdeburg organisierte mit dem Dozenten der Bundeswehruniversität Stephan Grigat, der zum Krieg gegen den Iran aufruft. Sie führen antideutsche Aktionen durch mit der Unterstützung der Linkspartei, unter anderem der Politikerin Henriette Quade und ihrem Assistenten Valentin Hacken.
Und die „Reil 78“ in der Reilstraße wurde markiert mit Plakaten, insbesondere das „Offene Antifaplenum“, das sich auch an besagter Veranstaltung in Magdeburg beteiligt hatte, um aktiv gegen Israelkritik vorzugehen. Sie unterdrücken Kritik an der westlichen Politik im Nahen Osten militant natürlich auch in Halle. Aber nicht nur das, also auch so sozialchauvinistische, antiproletarische Aktionen werden von ihnen durchgeführt.
Gerome: Da sei zu erinnern an die Demo, wo es hieß: „Schnauze in der Platte!“ Das war für uns auch eine rote Grenze als vom Verständnis her proletarische Linke, da die Antideutschen sich hier so verächtlich gegenüber breiten Bevölkerungsgruppen äußerten.
Uwe: Ja, ein ganzer Stadtteil wurde da in Sippenhaft genommen für irgend so ein paar rassistische Idioten die da gegen Sinti und Roma vorgehen, was man auf jeden Fall kritisieren muss, dass da Rassisten unterwegs sind, aber es wurde komplett die Silberhöhe als rassistischer Stadtteil mit all ihren Bewohnern, die größtenteils aus der Arbeiterklasse sind, verächtlich gemacht und so macht man sich definitiv keine Freunde. Und sie werden auch von der Arbeiterklasse so angesehen als arrogante, studentische Idioten, die nicht auf der Seite der Arbeiterklasse stehen. So einfach ist das.
Gerome: Das ist auch das ganze Problem an den Antideutschen. Mit denen kommen wir nicht weiter von den muss man sich einfach abgrenzen, um diese revolutionäre Linke auch zusammenzuschließen, die wir unbedingt jetzt brauchen angesichts der ganzen rechten Tendenzen auch hier in Deutschland, dass die CDU immer mal wieder schwenkt zur AfD und ja, wenn die Linke sich nicht unter breiten Bevölkerungsteilen verankert, hat sie schon verloren. Sie muss das antifaschistische Bewusstsein, was auf jeden Fall da ist, weiter fördern, unversöhnlich sein gegenüber Rassismus und Nationalismus, aber darf die Auseinandersetzung mit den Leuten nicht scheuen, sondern muss sie aktiv führen.
Also den Antideutschen geht es ja besonderes darum, Vorbehalte zu schüren gegenüber internationalistischen, antiimperialistischen Kräften, indem sie halt verleumden, ohne sich sachlich damit auseinanderzusetzen bereit sind und diese Einschüchterung von einem bestimmten Umfeld, das es gibt, zu erreichen. Also die arbeiten mit dem Mittel der Einschüchterung erstmal, um Menschen und die revolutionäre Linke letztlich auch kleinzuhalten. Und das ist auch ganz im Sinne der Regierung. Und da gibt es auch viele Querverbindungen, das ist ganz interessant. Der Vorsitzende vom Verfassungsschutz in Thüringen gehört da auf jeden Fall mit dazu. Wir haben schon über diese Zentren berichtet, das ist auch nicht ohne, dass die „Reil“ da auch Kosten für Reparaturen aus der Stadtkasse zur Verfügung bekommen hat, da auch gefördert wird, „Halle gegen Rechts“ ist da auch zu nennen.
Was hier in Halle besonders auffällt, für alle, die hier in Halle auch praktisch politisch aktiv sind, zum Beispiel bei Demos oder auch in Bündnissen, dass hier solidarischer, auch kritischer Austausch unterbunden wird. Und dann gesagt wird, als hätten die Antideutschen dann irgendwie Hausrecht unter freiem Himmel: Hier dürft ihr nicht eure linken Symbole zeigen oder halt Fahnen und so, das kriegt man öfters mit. Wenn dann das alles auch untersagt wird, dass man auch ein ganzes Spektrum der Linken abbildet, das es auch einfach gibt, dann steht da am Ende einfach ein Haufen ohne jegliche Symbole und dann ist es auch immer gar nicht erkennbar, wer da überhaupt steht und das ist auch nicht gerade einladend. Diese Demos werden dadurch auch geschwächt, indem sich dann da gewisse antideutsche Führungspersönlichkeiten hervortun, nach dem Motto: Die blicken alles und die haben das dann auch in der Hand, wer da sprechen kann, weil andere dann mit dem Bannstrahl des Antisemitismus belegt werden, die sich auch kritisch zur israelischen Politik äußern. Und zu diskutieren ist jetzt eben auch, woher die Massenfeindlichkeit der Antideutschen kommt. Wenn jetzt zwar bestimmte Themen aufgegriffen werden von Antideutschen, aber gar nicht klar ist, was die Ursache für die Probleme ist.
Also wenn jetzt nach dem Anschlag von Halle, der ja faschistisch motiviert war, klar, auch eben antisemitisch, rassistisch, das ist ja alles auch Bestandteil von Faschismus, Faschisten sind eben zu sowas fähig, gesagt wird: Teile dieses Weltbilds wären bei der Mehrheitsbevölkerung zu finden, dann isoliert das auch die Linke komplett. Und dann will ich auch noch mal darstellen, dann muss man auch sagen: Das sind nicht nur Spalter, sondern auch Leute, die die linke Bewegung auch richtig kaputtmachen. Wenn gar nicht klar ist, wer die Probleme eigentlich verursacht. Also Faschismus ist eine Politik des Kapitalismus in der Krise, das kann man so auf den Punkt bringen. Und wenn dann von Antideutschen aber gesagt wird: Faschismus ist etwas, das jeder zweite Mensch im Kopf hat, dann verdreht das vollkommen das Problem.
Uwe: Wir haben uns natürlich auch die ganzen Kommentare durchgelesen, die unter unserem Text erschienen sind bei @redmediakollektiv auf Instagram. Und abgesehen davon, dass irgendwelche Leute das peinlich finden oder irgendwelche Clowns da posten…
Gerome: … angeblich peinlich finden. Also vielleicht fühlen sie sich auch entblößt und wir haben da in ein Wespennest gestochen und sie wollen mit Clowns ablenken.
Uwe: Ja, bei über 700 Kommentaren muss ja irgendwas dran sein, was die Leute interessiert. Aber es gab natürlich auch solidarische Kritik von Leuten, die gesagt haben: Das ist eine legitime Aktion, aber in Zeichen von Finanzkrise und Rechtsruck ist das vielleicht nicht so ganz das Primäre, was man irgendwie machen sollte. Dazu können wir nur sagen: Man muss hier die Situation in der Stadt Halle kennen, wo eben die Antideutschen im Moment noch eine dominante Position haben. Und wenn man eben in die Öffentlichkeit geht als linke neue Gruppe, kann es ganz schnell passieren, dass Antideutsche einfach kommen und versuchen zu bestimmten Themen mitmachen zu wollen und dann so Stück für Stück sozusagen auch die Dominanz in dieser Gruppe zu erlangen. Und das wollen wir von Anfang an ausschließen und positionieren uns ganz bewusst gegen antideutsche Positionen, um das erstmal klar zu machen. Und auf der Basis kann man dann weiter reden mit allen Leuten, die da interessiert sind, zu anderen Themen Aktionen zu machen. Das war uns auf jeden Fall wichtig, um das mal klarzustellen.
Megaphon: Letzte Frage: Wer ist das „Rote Netzwerk Halle“ und was habt ihr als Nächstes vor?
Gerome: Das „Rote Netzwerk“ ist bisher ein loser Zusammenschluss von Einzelpersonen, die auf jeden Fall wissen, dass es klar antiimperialistische Positionierungen braucht. Niemand ist links, der sich auf die Seite von Staaten stellt, die andere Länder knechten und Kriege führen in aller Welt. Also wir setzen uns dafür ein, dass deutsche Truppen aus dem Ausland abgezogen werden und dass hier die Waffenexporte aufhören.
Uwe: Genau. Und innenpolitisch versuchen wir proletarische Kämpfe zu unterstützen. Und auch nicht von außen, wie das vielleicht auch immer irgendwo kritisiert wird, sondern schon von innen. Weil wir darauf angewiesen sind, selber zu arbeiten und mit unseren Kollegen jeden Tag da im Betrieb stehen und die ganzen Probleme selber haben. Wir machen nicht für Leute irgendwas, sondern auch für uns selber und das können wir aber nicht als Individuen machen, sondern nur als organisierte Linke und eben auch Arbeiterklasse, um aus einzelnen Betriebskämpfen weiterzukommen zu politischen, gesellschaftlichen Veränderungen. Was ja in Halle auch komplett vernachlässigt wurde in den letzten Jahren. Der DGB oder die DGB-Jugend versucht da immer noch irgendwas zu machen. Aber das ist auch nicht revolutionär oder klassenkämpferisch. Aber trotzdem ist es wichtig auf sowas bezugzunehmen. Zum Beispiel auch gerade in der Corona-Krise muss man die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem, eben Profite, die mit dem Gesundheitssystem gemacht werden, unbedingt kritisieren. Man muss also solidarisch sein mit den Leuten in den Betrieben. Oder eben auch in der Logistik, seien es jetzt die Arbeitskämpfe bei Amazon, wo die Kollegen seit Jahren in Leipzig einen Tarifvertrag erkämpfen wollen. Oder eben einfach der ganze Online-Handel, der jetzt einfach boomt und das auf den Kosten der Arbeiter, die in diesen Betrieben arbeiten, die unendlich viele Überstunden leisten müssen und eben auch permanent der Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Und die aber auch Kritik formulieren einfach an diesen Arbeitsbedingungen, die aber in der Öffentlichkeit nicht erhört werden. Auf solche Themen wollen wir eingehen und sie in die Öffentlichkeit tragen und die Kämpfe voranbringen.
Gerome: Genau. Um das noch mal klarzustellen, das machen wir auch schon, in dem wir auch Gesicht zeigen und diese Diskussionen führen, Flyer verteilen und in verschiedenen Zusammenhängen und Organisationen aktiv sind. Aber wir haben uns bewusst dazu entschieden, das jetzt erstmal so laufen zu lassen unabhängig von Gesichtern, weil wir davon überzeugt sind und wissen, dass wir hier auch für viele Menschen sprechen, denen diese verfahrene Situation hier in Halle Kopfschmerzen bereitet, oder die auch wissen, dass das aufgebrochen gehört und wir wieder mehr in die Offensive kommen müssen.
Uwe: Ihr könnt euch auf jeden Fall bei uns melden, erstmal über die Istagram-Seite vom @redmediakollektiv zum Beispiel, aber wir planen natürlich auch weiterhin unsere Präsenz im Internet mit einer eigenen Kontaktmöglichkeit auszubauen. Genau, so könnt ihr uns erreichen und eben vielleicht bei der nächsten Aktion auf der Straße.
Megaphon: Danke für das Gespräch.