Wenn mich jemand fragt, was Repression mit mir macht, dann sage ich genau das:
„Ich tindere nicht mehr“.
Und das muss auch als Information reichen. Der Umstand nämlich, dass ich als Single in die Repression gestartet bin, bedeutet auch, dass ich es bleiben werde. Weil ich niemandem erzählen möchte, was in meinem Leben los ist. Ich kann nicht erzählen, warum ich bestimmte Sache mache und andere nicht. Warum ich weder im Auto noch in der Gegenwart eines Handys unbeschwert atmen kann. Warum ich vor eigentlich banalen Situationen mittels körperlich nachweisbarer Reaktion (weiß wie Schlemmkreide) erschrecke.
Zum Beispiel neulich, als der Bulle im Büro stand und eigentlich nur einen Strafzettel zustellen wollte. Ich hatte die letzte Hausdurchsuchung im Kopf, den Massenauflauf an LKA-Bullen in meinem Büro, die unangenehme Reaktion meines Arbeitgebers, den Kampf gegen die Sperre beim Jobcenter und die Erkenntnis, dass ich von Repression viel zu wenig Ahnung habe. Für mich ist die Polizei weder Freund noch Helfer. Für mich ist die Polizei die Gangster-Truppe, die in der Zahl einer Fußballmannschaft in meine Wohnung eingedrungen ist, meinen Rechner und alle technischen Gerätschaften mitgenommen haben und mich im Knast sehen wollen und dafür – ausgerechnet!- bei mir nach Beweisen suchen. Was soll und kann ich davon erzählen und wem, wann und warum? Wenn ich jemanden kennen lerne, muss ich zuerst abchecken, ob er Bullen, Staatsanwälte oder Justizangestellte in der Verwandtschaft oder im Bekanntenkreis hat, wie er zu Kriminalisierung steht und wie er politisch so drauf ist. Und das alles muss ich checken, um mich erstmal nur neutral äußern zu können; erst recht, wenn es politisch wird. Ich habe Schiss vor den Reaktionen der bis dahin Fremden auf meine linke Weltsicht. Ich will nicht erleben, dass mein Gegenüber plötzlich unerträgliche Scheiße labert. Oder noch schlimmer: Selbiges von mir denkt.
Noch schlimmer stelle ich mir die Reaktionen vor, wenn bekannt wird, was mir vorgeworfen wird. Ich will nicht mit weit aufgerissenen Augen gefragt werden, ob da was dran ist. Weil ich dann genau weiß, dass es für ein zukünftiges Miteinander an wichtigen Voraussetzungen fehlt, die ich nicht erklären möchte. Ich fürchte mich davor, was das Erkennen meiner Situation mit meinem Gegenüber macht und die bis dahin – bestenfalls – stabile Beziehungen verändert. Ich führe Freundschaften und Beziehungen auf der Basis von Aufrichtigkeit. Zumindest bilde ich mir das ein. Menschen schätzen mich für meine Authentizität (sagen sie) und ich weiß, dass ich gerade nicht authentisch bin. Ich bin gerade nicht authentisch, weil ich einen Teil meiner unfreiwillig neu entwickelten, paranoiden und leicht schrulligen Persönlichkeit, deren Herkunft und Beschaffenheit aber für andere wichtig ist, unter Verschluss halte.
Repression ist scheiße, denn sie schreibt in jede meiner Beziehungen den Anderen das Recht auf ein abruptes Ende ein. Ich habe die Kontrolle über mein Image verloren und es macht mich fertig. Ja, auch darum tindere ich nicht mehr. Witzig, weil ich auch vor der Repression noch nie getindert habe, aber ihr wisst, was ich meine.