Robert und Motaz sind 2 junge Männer und in etwa gleichalt. Mit zugekniffenen Augen sehen sie sich sogar ein bisschen ähnlich.
Robert lebt und arbeitet in Magdeburg. Er lehrt an einer Hochschule, ist politisch bei der Linkspartei aktiv. Seine Haut ist weiß wie Schlemmkreide und sein Mindset auch. Robert war mal ein Internetheld, dauerempört und immer am Puls der Zeit. Robert war auf verbalen Krawall gebürstet. Die Unmenschlichkeit der Anderen war für ihn unfassbar. Aber Robert hat sich neulich aus dem Internet zurück gezogen, weil die „ziemlich heftigen Angriffen, Drohungen etc., aus verschiedensten Richtungen des politischen Spektrums“, die in der letzten Zeit auf ihn eingeprasselt sind, ihm das Gefühl gaben, es ohne Pause nicht zu schaffen. Robert ruht sich jetzt aus. In einer schmucken Altbauwohnung (hoffentlich!) in der ostdeutschen Provinz. Das hat er sich verdient, sein Leben als Linker und Antifaschist ist hart und wird mit dem Prasseln noch härter.
Motaz überlebt und arbeitet in Gaza. Er ist Fotograf. Auf instagram hat er mittlerweile 11,6 Mio Follower und jede Aufmerksamkeit verdient. Motaz filmt und fotografiert, was Robert nicht sehen will und ich kaum ertragen kann. Tote Körper unter Geröllhalden, brennende Trümmerhaufen, Schreie im Dunkeln der Nacht, ständige Explosionen, sterbende Kinder. Mir zerreißt das Herz. Und ich sehe es Motaz an, dass es ihm ebenso geht. Aber Motaz zieht durch. Er hält das aus und die Kamera drauf. Unter Umständen, die ihm seine Arbeit kaum möglich machen. Motaz schwebt in ständiger Lebensgefahr und alle um ihn herum auch.
Robert findet, Gaza muss von der Hamas befreit werden und Motaz protokolliert für die Weltöffentlichkeit die grausamen Folgen dieser Forderung. Beide sind in etwa gleichalt. Auf Robert prasseln virtuelle Angriffe ein, auf Motaz Bomben. Dass Robert morgen noch lebt, ist sehr wahrscheinlich. Er ist jung, gesund und lebt wohlbehütet in Deutschland. Ob Motaz morgen noch lebt, hängt nicht von ihm ab.
Wenn ich für beide das Aufenthaltsbestimmungsrecht hätte, würde ich ihre Leben vertauschen. Nur für 24 Stunden. Gern auch länger. Aber ich weiß, sie würden alle beide ganz schnell in ihr Leben zurückwollen. Motaz könnte aber in Roberts Bude vielleicht mal eine Nacht ruhig schlafen und schön frühstücken. Und Robert würde in Motaz Presseweste endlich wissen, dass Tweets nicht prasseln.
Folgt Motaz Azaiza auf Instagram: https://www.instagram.com/motaz_azaiza