„Wir fühlen uns allein gelassen“

Fatima und Ali leben, studieren und arbeiten in Magdeburg. Fatima ist Krankenschwester im Uniklinikum und arbeitet auf einer Intensivstation. Ali hat an der Otto-von Guericke Universität Maschinenbau studiert und das Studium als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen. Er arbeitet heute als Financial Specialist. Sie sind beide jung, super sympathisch und haben sehr sanfte Stimmen. Sie achten auch im Raum aufeinander, gehen liebevoll und achtsam miteinander um und lassen einander aussprechen. Und beide sind als Paar Opfer eines rassistischen Übergriffs in der Magdeburger Innenstadt geworden.


Am 24.12. holte Ali seine Frau Fatima von der Spätschicht im Klinikum ab. Es lagen da schon 4 anstrengende Tage hinter uns allen, aber besonders hinter dem medizinischen Personal in der Umgebung. Am 20.12. kam es nach einer Amokfahrt eines islamkritischen Regierungskritikers zu einem Massenanfall an Verletzten. In allen Krankenhäusern in Magdeburg wie im Umfeld herrschte Hochbetrieb, um das Leben von über 200 Verletzten zu retten. In 5 Fällen gelang dies nicht. Nach der Amokfahrt des Täters über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg verstarben 4 Frauen und ein 9jähriges Kind bereits vor Ort oder später an ihren Verletzungen.

Bereits wenige Minuten nach dem schrecklichen Ereignis auf dem Weihnachtsmarkt begann die politische Rechte das Geschehen im Internet für ihre rassistische und migrationsfeindliche Agenda zu instrumentalisieren. Es wurden Horrorszenarien frei erfunden, via Internet geteilt und verbreitet. Die Stimmung in der Stadt wurde systematisch verhetzt und über das Internet, Hörensagen und schlimmste Befürchtungen angeheizt. Als Auslöser der Hetze galt den Beteiligten die Herkunft des Täters. Der Mann stammte ursprünglich aus Saudi-Arabien, hielt sich aber seit 2006 in Deutschland auf. Er hatte eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis, arbeitete als Psychotherapeut im Maßregelvollzug. Er erfüllte die Kriterien gelungener Integration. Sein Geburtsort war dennoch für Rechte Grund genug, eine migrationsfeindliche Hasskampagne loszutreten. Die Stimmung in der Stadt wirkte gerade für Menschen, die nicht klassisch deutsch aussehen, noch bedrohlich als sonst. Darum holte Ali Fatima von der Spätschicht ab. Das Paar beschloss, den Abend mit einem Döner vom Hassel ausklingen zu lassen. Der 24.12. ist ein Abend, an dem es ruhig und besinnlich in der Stadt zugeht. Darum gibt es nur im Stadtzentrum noch offene Restaurants. Noch bei der Suche nach einem Parkplatz wurden sie von einem betrunken wirkendem hochaggressivem Typ mit bedrohlicher Gestik zum Halten gezwungen. Der Mann schlug auf Auto und Scheiben auf der Fahrerseite ein. Fatima erstarrte vor Angst. Geistesgegenwärtig wich Ali fahrend dem Angreifer aus und bog in die Querstraße ein.  Der Angreifer schrie derweil auf Passanten ein, die im Nahumfeld zu Fuß unterwegs waren, mit rassistischen Parolen an. Fatima und Ali riefen entsetzt die Polizei. Die Kontaktperson in der Notrufzentrale sicherte zu, ein Zivilfahrzeug vorbei zu schicken. Um die Situation zu klären, sollten Ali und Fatima auf sich aufmerksam machen. Immer weiter eskalierte der Randalierer, schrie und äußerte sich rassistisch, rannte über die gesamte Breite des Fußwegs und Straße und setzte sich auch zwischenzeitlich auf den blanken Boden. Fatima beschreibt ihn als energiegeladen, aber auch schwankend. Er schien unberechenbar und völlig planlos, aber darauf aus, Menschen anzugreifen. Als dann ein Fahrzeug in der näheren Umgebung hielt, war das junge Paar überzeugt, dass es um jenes zivile Fahrzeug handeln müsse. Ali senkte die Fensterscheibe, um mit den vermeintlichen Zivilbeamten zu kommunizieren, um – wie beim Notruf abgesprochen- sich bemerkbar zu machen. Diese Gelegenheit nutzte der Rassist und schlug durch die gesenkte Scheibe der Fahrertür auf Ali ein und verletzte dabei auch Fatima. Während der gesamten Attacke bedrohte der Angreifer das Paar als „Araber“ und drohte mit Mord bis zur „Vergasung“. Ali versuchte, sich zu schützen und Fatima ebenso. Mehrere Minuten prügelte der Schläger durch die geöffnete Fensterscheibe auf das Paar ein. Während dieser schrecklichen Situation griff niemand in das Geschehen ein. Als die Polizei eintraf, wurde er dann aus dem Auto gezogen und zu Boden gebracht. Gegen die Verhaftung wehrte sich der Täter und drohte und beleidigte ununterbrochen das Paar. Er würde sie erkennen, suchen und finden. Während der Verhaftung klagte er über Atemnot. Der herbeigerufene Krankenwagen versorgte das verletzte Paar. Der Täter wurde mit einem Streifenwagen erst zum Revier, später dann ins Krankenhaus verbracht, das Paar mit dem Krankenwagen in die nächste Notaufnahme transportiert. Am Ende befanden sich das angegriffene Paar und deren Angreifer Tür an Tür in der Notaufnahme der Uniklinik und musste damit rechnen, jederzeit wieder Opfer der rassistischen Attacken zu werden und nach der Behandlung weiter verfolgt zu werden.

Fatima leidet seit dem Überfall unter Angst- und Panikattacken und ist arbeitsunfähig. Sie versucht, mit Unterstützung von Ali, von Familie und Freunden, die Ereignisse und Ängste zu verarbeiten. Alis Verletzungen stellten sich zum Glück als nicht schwerwiegend heraus. Die äußeren Verletzungen der beiden werden verheilen. Aber wenn man Fatima, danach fragt, was das alles mit ihr macht, was sie fühlt, beschreibt sie ihre Überlegungen zu den letzten 5 Tagen in Magdeburg mit einem pessimistischen Statement:

„Es fühlt sich einfach nur richtig schlimm an. Man lebt hier, man integriert sich. Man lernt die Sprache. Man akzeptiert vieles, man hilft, unterstützt, man spendet, man macht und tut und es ist einfach nur umsonst. Und allein damit zu leben, ist halt einfach nur traurig. Weil die Leute sehen das nicht. Egal wie sehr wir uns bemühen, die Leute sehen das nicht. Egal wie gut wie sind. Egal was wir diesem Land Gutes tun. Egal was wir dem Land bieten. Egal was für einen Status wir haben. Es ist einfach alles umsonst. Einfach alles umsonst. Du kannst einen 1,0 Abschluss haben. Du kannst ein Professor sein. Alles Mögliche. Du kannst so intelligent, so gut, so großzügig sein und es bringt nichts. Sehr wenige Leute sehen das.“