„Weißen Feminismus canceln“ – aber wie?

Es ist verdammt traurig, dass ausgerechnet Sibel Schick unter diesem Titel ein Schrottbuch geschrieben hat 1. Leseproben ließen bisher nur Entsetzen über den Inhalt zu. Denn es stand bereits in den ersten Seiten als Parole genau das drin, was den weißen Feminismus so ausmacht: Cancelt Swerfs (Swerf steht für Prostitutionskritik). Weißer Feminismus ist nämlich dieser Feminismus, der fordert, dass es für alle Frauen die Wahlmöglichkeit Prostitution geben muss, ohne darüber nachzudenken, welche Privilegien es dafür braucht und wer diese für sich beanspruchen kann. Weißer Feminismus nimmt die Lebenswirklichkeit weißer Frauen in einer weißen, westlichen Gesellschaft zur Basis der Forderungen und leugnet Rassismus und Diskriminierung samt der Konsequenzen für Betroffene.

Weißer Feminismus ist aber auch dieser Feminismus, der weiße Frauen vor der sexuellen Gewalt nichtweißer Männer schützen will und damit rassistische Diskriminierung begründet. Weißer Feminismus beklagt den „Sex-Krieg“ (als aktuelles Feindbild: der Hamas) gegen (aktuell: israelische) Frauen und fordert in emotionalisierenden Reden und flehenden Appellen, von der Zivilgesellschaft die Unterstützung für (derzeit) einen Genozid an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza.

Genau so wie es Alice Schwarzer es seit Jahren versucht:

„Alice Schwarzer, die Medienfrontfrau des deutschen Mainstream-Feminismus zeichnete ebenfalls kraftvoll an der neuen Trope. Im Editorial der März/April 2016 Ausgabe ihrer Zeitschrift Emma entwickelt sie nicht nur die individuelle Gefährlichkeit dieser jungen Männer für (weiße biodeutsche) Frauen, sondern stellt die Entwicklung in einen globalen Zusammenhang. Der politische Islamismus habe sich über soziale Netzwerke verabredet, „um Frauen zu klatschen“ (Schwarzer 2016: 6). Obwohl letzte Aussage als Faktizität daherkommt, werden stärker verschwörungstheoretische Thesen mit Fragezeichen versehen: „[…] die sexuelle Gewalt ist eine traditionelle Kriegswaffe und die Islamisten haben dem Westen den Krieg erklärt. War also Köln ein Signal?“ (ebd.). Schwarzer unterstellt damit, dass der IS und/oder Al Kaida nordafrikanische Kleinkriminelle losgeschickt haben könnten, um damit den Westen zu destabilisieren. Denn sexuelle Übergriffe seien eine Waffe, die „Frauen bricht und Männer demütigt (weil sie ‚ihre‘ Frauen nicht schützen können)“ (ebd.: 5). Schwarzer projiziert die behauptete individuelle Gefährdung (deutscher/weißer) Frauen durch muslimische Neumigranten ins Geopolitische: Der internationale islamistische Terror führe Sex-Kriege gegen den Westen. Rassismus-Theoretikerin Liz Fekete interpretiert solche paranoischen feministischen Reden gegen einen imaginiert sexuell gewalttätigen Islam als Teil einer größeren Diskursformation, die sie „Enlightened Fundamentalism“ nennt. Sie reiche tief ins liberale Spektrum und umfasse neben bestimmten Feminismus-Fraktionen auch wichtige Teile des Rechtpopulismus (Fekete 2006). Sara Farris spricht von derselben Formation in der Nachfolge von Jasbir Puars ‚Homonationalism‘ als ‚Femonationalism‘ (Farris 2012).“ 2

An diesem Punkt greifen auch die Strategien Schicks und Schwarzers famos ineinander: Wenn wir nämlich über die sexuelle Gewalt der Hamas/im Islam und über Abwehrmaßnahmen (vom Genozid bis Migrationsabwehr) streiten, reden wir (als Summe der edlen Weißen) nicht mehr darüber, was gerade im Wohnungsbordell nebenan passiert. Und das werden wir auch nicht mehr, wenn – wie Schick es fordert – Prostitutionskritik zukünftig geächtet wird.

  1. https://www.fischerverlage.de/buch/sibel-schick-weissen-feminismus-canceln-9783103975499 ↩︎
  2. https://movements-journal.org/issues/03.rassismus/10.dietze–ethnosexismus.html ↩︎