Von der „Mohren-Apotheke“ zum „Wilhelmstädter Platz“

von Richard Sorge

Vor einiger Zeit hat die 24 Jährige Hannah Umutoni Mugaragu, eine Aktivistin der Initiative „Seebrücke“, einen offenen Brief zur Umbenennung der „Mohren-Apotheke“ in Stadtfeld-Ost veröffentlicht. Darin prangert sie rassistischen Sprachgebrauch an. Mit rassistischen Stereotypen assoziierte Begriffen werden dabei abwertend verwendet. Sie fordert die Verbannung rassistischer Sprache aus dem öffentlichen Raum, denn Rassismus zeigt sich in unserer Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen. Die Verwendung von rassistischer und diskriminierender Sprache ist eine davon. Ich schließe mich ihrer Forderung vollumfänglich an.

„Der Stein des Anstoßes: Eine überholte Bezeichnung für eine Apotheke. © Oliver Wiebe“

Rassistischer Sprachgebrauch ist eine Konsequenz aus unaufgearbeiteter Kolonialgeschichte und reproduziert abwertende Sprachbilder. Die Bedeutung sensibler Sprache und des Verzichts auf Reproduktion von rassistischen Sprachbildern scheint in Magdeburg nicht jedem klar zu sein bzw. viel zu wenige zu stören. So griff die AfD in einem Facebookpost die antirassistische Initiative an und titelte: „Eure Ideologie steht nicht über unseren Traditionen.“

Dass diese „Traditionen“ auch deutsche Kolonialverbrechen und den Massenmord an den Herero und Nama meint, muss vorausgesetzt werden. Man beließ es dennoch dabei, die Initiatoren als Teil eines wütenden Mobs zu verunglimpfen, dem sich die Betreiber der Mohren-Apotheke nicht beugen sollten. Nun sind aber Geschichtsvergessenheit und Ignoranz gegenüber deutscher Kolonialverbrechen kein Alleinstellungsmerkmal für die AfD. Ein derart ignorantes Verständnis deutscher Geschichte muss auch anderen Bürgervertretern aus der Magdeburger Lokalpolitik bestätigt werden.

Wilhelmstädter Platz -Stadtfeld Ost

Stadtfeld wurde im Jahr 1892 dem monarchistischen Zeitgeist entsprechend und durch königlichen Erlass in „Wilhelmstadt“ umbenannt. Angelehnt ist der Name an Kaiser Wilhelm I. 2008 nun hat der „Bürgerverein für Stadtfeld“ einen Wettbewerb zur Namensfindung für den damaligen „Platz ohne Namen“ an der Olvenstedter Straße initiiert. Aus mehr als 20 Ideen hat sich der „Wilhelmstädter Platz“ mit 54 Prozent der Stimmen angeblich klar durchgesetzt. Aufzeichnungen über die TeilnehmerInnen oder die Wahl selbst sind nicht öffentlich einsehbar. Jedoch können wir davon ausgehen, dass es im Rahmen der GWA Stadtfeld abgestimmt wurde und dann an den Stadtrat als „Volkswille“ weitergetragen wurde. Der Stadtrat und die AG Straßennamen haben schließlich den Weg für eine Benennung des Platzes in „Wilhelmstädter Platz“ freigemacht. In einem weiteren Stadtratsantrag wurde zudem die Umbenennung der angrenzenden Straßenbahn Haltestellen durchgesetzt. Diese heißen nun ebenfalls „ Wilhelmstädter Platz“. Dem Bürgerverein für Stadtfeld scheint also die Identifikation mit dem historischen Namen weder Dorn im Auge noch kritikwürdig zu sein.

Retraditionalisierung & koloniale Identität

Doch wollen wir uns auf diese Art der Retraditionalisierung einlassen? Dass es historische Bezüge zum zeitweilig umbenannten Viertel „Stadtfeld “in „Willhelmstadt“gibt ist offensichtlich und dem monarchistischen, nationalistischen & kolonialistischen Geist der damaligen Zeit geschuldet. Doch auch die Sternbrücke an der Elbe hieß mal Adolf-Hitler-Brücke – ist es nun angebracht, sie wieder aus historischen Gründen umzubenennen? Natürlich Nicht! Die Benennung des Wilhelmstädter Platzes verherrlicht Kaiser Wilhelms Rolle als „Reichsgründer“ und steht zudem stellvertretend für den monarchischen Nationalstaat im Sinne des Wilhelminismus mitsamt seiner kolonialen Auswüchse. Dieser Bedeutet Militarismus und war, in der Blütezeit des Imperialismus darauf ausgerichtet Deutschland zur Weltmacht zu machen. Die Namensgebung erinnert an eine Epoche, in der Deutschland versuchte seinen Kolonialbesitz auszubauen. Die wilhelminische Ära steht für eine schwärmerisch-expansionistische Politik und eine forcierte Aufrüstung des Militärs. Die Kolonialbewegung war zu einem ernstzunehmenden Faktor in der deutschen Innenpolitik angewachsen. Während der wilhelminischen Ära standen Fragen des nationalen Prestiges und der Selbstbehauptung in einer sozialdarwinistisch verstandenen Konkurrenz der Großmächte im Vordergrund.

1878 wurden auf Kaiser Wilhelm I. Zwei Attentate verübt, die allerdings scheiterten. Dies war für Kanzler Otto von Bismarck ein willkommener Anlass, gegen die Sozialisten vorzugehen, denen man die Attentatsversuche auf den Kaiser anlastete. Doch ein direkter Zusammenhang war nie nachzuweisen bzw. beide Attentate hatten eigentlich gar keinen direkten politischen Hintergrund. Das störte Bismarck wenig, denn die Sozialisten waren ihm lästig und er plante, sie so schnell wie möglich, politisch auszuschalten. Da die Ängste vor einer Revolution in Deutschland groß waren, gelang es Bismarck schließlich, dass der Reichstag am 19. Oktober 1878 mit der Mehrheit der Stimmen von Konservativen und Nationalliberalen das Gesetz„wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ verabschiedete. Mit diesem Gesetz – kurz dann „Sozialistengesetz“ – wurden sozialistische Parteien und Organisationen verboten. Hat die SPD im Stadtrat bereits diese „Sozialistengesetze“ vergessen, als sie für die Umbenennung des Platzes gestimmt hatten? Sind ebenfalls vergessen die Konzentrationslager in Afrika & der Völkermord an den Herero und Nama. Dem verbrecherischen Vorgehen der deutschen „Schutztruppe“ fielen bis zu 100.000 Angehörige der Herero und Nama zum Opfer. Dieses Verbrechen wird von Historikern als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Die brutalen Kolonialverbrechen sollten nicht durch distanz- und kritiklose Übernahme der Begrifflichkeiten wieder hoffähig gemacht werden.

Krzysztof Blau, ehrenamtlicher Integrationsbeauftragter der Stadt Magdeburg, sagt: „… eine Debatte darüber lohnt, weil Rassismus auch schon in Sprachen und Bezeichnungen Ausdruck finden kann.“ Die Initiative der jungen AktivistInnen zur Umbenennung der sogenannten „Mohren-Apotheke“ sind begrüßenswert und unbedingt zu unterstützen.

Ebenfalls muss es eine Diskussion über die unreflektierte Re-Kolonialisierung von Straßennamen in Magdeburg geben.