Tor des Flüchtlingslagers Zast-Halberstadt

Quarantäne in Zast-Halberstadt aufgehoben

Am letzten Sonntag hat der Landkreis Harz, laut MZ, die Quarantäne in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt aufgehoben. Die 850 Bewohner waren seit dem 27.3. in der Einrichtung eingesperrt.

Die Insassen konnten in dieser Zeit die Zast nicht verlassen, weil mehrere Bewohner positiv auf Covid-19 getestet wurden. Die Ausgangsbeschränkung wurde durch ein Sicherheitsunternehmen und die Polizei überwacht. Allerdings hatten die Asylbewerber keine Möglichkeit sich effektiv gegen eine Ansteckung schützen. Zwar wurden positiv Getestete in einen anderen Bereich verlegt, aber dennoch stieg die Zahl der Infizierten jeden Tag. Um auf die unzumutbaren Bedingungen aufmerksam zu machen traten 100 Flüchtlinge am 4.4. in den Hungerstreik. Sie forderten eine dezentrale Unterbringung der Asylbewerber. Der Sicherheitsdienst reagierte auf den Protest mit brutaler Gewalt. Als ein Zaun, der die Menschen daran gehindert hätte mit der Lager-Leitung in Kontakt zu treten, umgeworfen worden sei, hätte ein Sicherheitsmann eine schwangere Frau mit einer Kette geschlagen, wie die Frau in einem Video mitteilte. Sie sei nach der Attacke in einem Krankenhaus untersucht worden und hätte zur Beobachtung dort bleiben müssen, berichtete die Volksstimme.

Hochhaus auf Feld
Zast-Halberstadt

Auf Grund dieser Proteste wurde die Situation von den Medien aufgegriffen und die Landesregierung sah sich genötigt einige Verbesserungen in der hygienischen Ausstattung und der Lebensmittelversorgung umzusetzen. Aber an dem eigentlichen Problem der Isolierung der Flüchtlinge und der Gefahr einer Ansteckung wurde nichts geändert. Der Innenminister, Holger Stahlknecht, diffamierte die Insassen und ihren Hungerstreik. Anstatt sich mit der Ansteckungsgefahr auseinanderzusetzen, reduzierte er den Protest lediglich auf den Wunsch der Insassen nach einer besseren Essensversorgung. So äußerte er sich gegenüber der Deutschen Presseagentur zu dem Hungerstreik mit den Worten: „dass Missfallen, zum Beispiel weil das Essen nicht geschmeckt hat, tumultartig und aggressiv zum Ausdruck gebracht wird“. Durch diese bewusste Fehlinterpretation, konnte Stahlknecht die öffentliche Wahrnehmung von der berechtigten Forderung nach einer dezentralen Unterbringung der Flüchtlinge ablenken und die Asylbewerber als Gewalttäter kriminalisieren. Doch die Gewalt ging nicht von den Bewohnern der Zast aus, die sich um ihre Gesundheit sorgten, sondern von einer überforderten Lagerverwaltung, die eine Ansteckung der Insassen bewusst in Kauf nahm.

Solidarische Aktivisten führten am 5.4. eine spontane Kundgebung vor Ort durch, um auf die Probleme in der Zast aufmerksam zu machen. Der Protest wurde von der Polizei verboten und den Unterstützern drohen jetzt, nach der neusten Verordnung der Landesregierung, bis zu zwei Jahren Haft. Am 20.4. hatten acht Insassen versucht aus dem Lager zu fliehen, aber die Polizei fing sie wieder ein und brachte sie zurück in die Zast.

Positiv Getestete wurden ab dem 8.4. in andere Einrichtungen in Quedlinburg und Benneckenstein transportiert. Auch dort protestierten die Bewohner gegen die unzureichende Unterbringung. In Quedlinburg traten die ehemaligen Bewohner der Zast am 9.4. in einen Hungerstreik. In Benneckenstein verweigerten sie am 24.4. das Betreten der Baracke. Die Asylbewerber hatten eine eigene Kochstelle gefordert und wollten wissen, wohin sie langfristig gebracht werden.

Der Epidemiologe Professor Oliver Razum von der Universität Bielefeld lehnt die zentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Heimen ab. „Sammelunterkünfte sind ein strukturelles Problem, wenn eine Pandemiesituation entsteht. Dort ist eine große Zahl von Menschen auf engem Raum zusammen. Und es ist kaum möglich Abstand voneinander zu halten, so wie das eigentlich erforderlich wäre“, sagte er in einem Monitor-Beitrag. Im selben Beitrag empfahl die Mitarbeiterin der internationalen Hilfsorganisation „Medico International“ Ramona Lenz eine dezentrale Unterbringung, denn sie würde das Risiko einer Ansteckung erheblich verringern. Das bestätigte am 22.4. auch das Leipziger Verwaltungsgericht. Ein Asylbewerber hatte gegen seine zentrale Unterbringung geklagt und Recht bekommen. Die Umstände in der Erstaufnahmeeinrichtungen würden ihm keinen ausreichenden Schutz vor einer Ansteckung mit Covid-19 bieten, heißt es in der Urteilsbegründung. Er konnte daraufhin die Flüchtlingsunterkunft in Schkeuditz verlassen. Auch die Bewohner der Zast haben die Möglichkeit gegen ihre Unterbringung in der Sammelunterkunft juristisch vorzugehen und eine Klage einzureichen.

Auch wenn die Quarantäne in der Zast-Halberstadt endet, ist die medizinische Versorgung der Bewohner immer noch schlecht und das Ansteckungsrisiko durch die Enge auf der Anlage weiterhin sehr hoch. Doch an einer dezentralen Unterbringung hat Holger Stahlknecht kein Interesse. Auf eine Einladung zivilgesellschaftlicher Organisationen zu einem Runden Tisch, regierte er nicht. Der Flüchtlingsrat wollte mit ihm bei dieser Gelegenheit über ein Unterbringungs-Konzept sprechen, dass die Gesundheit der Asylbewerber in den Mittelpunkt stellt. Da für die Verwaltung eine dezentrale Unterbringung keine Option ist und die Zahlen der erkrankten Flüchtlinge in der Zast weiterhin steigen, am vergangenen Sonntag waren es bereits 127 infizierte Personen, ist mit Protesten der Insassen und ihrer Unterstützer auch zukünftig zu rechnen.