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Pandemie und Frauenhaus – die andere Risikogruppe

Frauenorganisationen warnen vor einem massiven Anstieg der häuslichen Gewalt an Frauen und Kindern im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Lea arbeitet in einer Frauenberatungsstelle, berichtet über die aktuelle Situation in Magdeburg und erklärt, wie betroffene Frauen sich Hilfe suchen können.

Hallo Lea, wie unterstützt ihr von Gewalt betroffene Frauen?

Mitarbeiterinnen der Frauenberatung des Frauen- und Kinderschutzhauses Magdeburg helfen jeden Tag Frauen und Mädchen, die von häuslicher Gewalt und/oder Stalking bedroht oder betroffen sind. Ebenso können sich Angehörige und Fachkräfte bei uns beraten lassen. Unser zweiköpfiges Beratungsteam bietet kostenfreie psychosoziale Beratung und Unterstützung, sowie Begleitung zu beispielsweise Behörden, Polizei, Anwalt. Aber vor allem hören wir zu und handeln nur im Auftrag der Frau, unabhängig von Herkunft, Konfession, Staatsangehörigkeit oder sexueller Orientierung. Eine Mitarbeiterin ist spezialisiert auf die Arbeit mit Frauen und Mädchen mit Behinderung. Die fünf Mitarbeiterinnen im Frauenhaus bieten zusätzlich Frauen und deren Kindern eine gesicherte Unterkunft. Wir können 14 Frauen und deren Kindern Schutz und Unterstützung bieten. Die verfügbaren Plätze variieren von Tag zu Tag. Mit den anderen Frauenhäusern in Sachen-Anhalt sind wir gut vernetzt, sodass bei Kapazitätsauslastung eines Hauses, ein Platz in einem anderen Frauenhaus in Sachsen-Anhalt organisiert werden kann. Alle Frauenhäuser verfügen über eine Rufbereitschaftsnummer, die 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, an Sonn- und Feiertagen erreichbar ist. Deshalb werden zu jeder Tages- und Nachtzeit Aufnahmen im Frauenhaus durchgeführt.  

Wie hat sich eure Arbeit durch die Corona-Pandemie verändert?

Wir bieten wir auch in Zeiten der Pandemie diese Möglichkeit einer geschützten Unterkunft an. Es brauchte eine gewisse Anlaufzeit und Einigungen, damit die Gesundheitssorge für uns Mitarbeiterinnen und für die Bewohnerinnen des Frauenhauses gewährleistet werden konnte. Da derzeit in vielen Bereichen die Arbeit runtergefahren wurde, hatten auch wir Zeit uns umzustellen. Bis zu der Zeit der Pandemie haben wir ganz normal gearbeitet, das bedeutet: Montag und Dienstag halten wir in der Beratungsstelle offene Sprechzeiten vor und den Rest der Woche nach individuellen Absprachen. Die Frauen entscheiden immer freiwillig ob sie eine Beratung möchten. Die Orte, an denen wir beraten oder begleiten sind sehr unterschiedlich und individuell an die Situation der Frau angepasst. Im Frauenhaus sind die normalen Bürozeiten: Montag bis Donnerstag 8-18 Uhr und Freitag 8-14 Uhr abgedeckt. In der Coronazeit wurde die tägliche Arbeitszeit reduziert und Mitarbeiterinnen haben im Wechsel gearbeitet. In der Beratungsarbeit wurden die persönlichen Kontakte komplett runtergefahren. Wir haben zum Schutz der Mitarbeiterinnen und der Frauen nur telefonisch oder schriftlich beraten. Dabei fehlen das Beratungssetting und der persönliche Kontakt auf beiden Seiten. Durch die derzeitigen Einschränkungen sind viele Umsetzungen, beispielsweise nach Gewaltschutzgesetz, schwieriger geworden. Mal eben einen Beratungshilfeschein zu bekommen dauert nun mehrere Tage. Begleittermine zu Ämtern und Behörden können nicht angeboten werden. Der gute Austausch mit dem Frauen- und Kinderschutzhaus und anderen Beratungsstellen in Magdeburg erleichtert aber weiterhin eine rasche Vermittlung und bietet somit eine geeignete Unterstützung.

Hat die häusliche Gewalt durch die Corona-Krise zugenommen?

Das Frauenhaus und die Beratungsstelle sind vor der Pandemie und auch jetzt gut ausgelastet mit Beratungsanfragen, eine Erhöhung ist bisher bei uns nicht zu spüren. Den Zugang zu Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen ist mit so viel Scham und Unsicherheiten besetzt. Wenn dann noch gewohnte Bereiche wegfallen (Schulen, Kitas, Arbeit) fällt es vielen Betroffenen noch schwerer sich jemandem anzuvertrauen und den ersten Schritt in ein mögliches gewaltfreies Leben zu gehen. Es ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Dauer der Einschränkungen von Bewegungsfreiheit und der Kontaktbeschränkungen die Gefahr der häuslichen Gewalt ansteigt. Das bundesweite Hilfetelefon hat bereits eine Zunahme der Anrufe von Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, vermerkt.

Wo können sich von Gewalt betroffene Frauen derzeit Hilfe suchen?

In Magdeburg kann das Frauen- und Kinderschutzhaus unter der Nummer: 0152-23426634 jederzeit erreicht werden. Die Frauenberatungsstelle kann innerhalb der Woche unter: 0162-5302740 oder 0176-62822880 kontaktiert werden.                                                                      Auch das bundesweit geschaltete Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ kann beraten und an entsprechende Einrichtungen im Hilfesystem vor Ort vermitteln. Unter der Nummer 08000 116 016 ist dies rund um die Uhr erreichbar. Eine Beratung kann in 17 Sprachen und auch in Gebärdensprache erfolgen.

Was kann ich tun um zu helfen in Zeiten der Pandemie?

Jeder Einzelne von uns sollte achtsam mit seinem direkten Umfeld sein. Merke ich beispielsweise Auffälligkeiten bei meiner Nachbarin, so kann ich sie einfach mal auf einen Kaffee einladen, anstatt wegzuschauen oder mir etwas Zucker borgen um Kontakt aufzunehmen. Oft sind es die kleinen Gesten, die betroffene Frauen ermutigen sich professionelle Unterstützung zu suchen.