Die soziale Infrastruktur wird weiter an die Wand gefahren

Insolvenz der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg: Soziale Einrichtung mit über 2000 Mitarbeiter/innen muss s.g. Schutzschirmverfahren eröffnen. Ein Gespräch mit Gudrun Gewehr

(Gudrun Gewehr ist langjährige Mitarbeiterin in der diakonischen Einrichtung)

Mitte Januar wurde öffentlich, dass sich die Pfeifferschen Stiftungen in akuter finanzieller Notlage befinden. Dazu gehören zwei Krankenhäuser; verschiedene Wohn- und Beschäftigungsangebote für Menschen mit Handicap und Pflegebedürftige. Wie wurden die Angestellten/Belegschaft informiert?

Ich habe es am Morgen am Küchentisch aus der Zeitung erfahren. Als ich auf Arbeit ankam, wurde mir erzählt das es eine Rundmail vom Vorstand gab. Darin teilte dieser mit, dass das hiesige Amtsgericht die Durchführung eines Schutzschirmverfahrens angeordnet habe. Insolvenzverwalter und Sachwalter wurden bestellt. Die Gehälter der nächsten drei Monate werden als Insolvenzgeld ausgezahlt.

Später gab es dann noch eine Betriebsversammlung. Darin hat der Vorstand kurzweilig die Sachlage zu erklären versucht. Die Insolvenzverwalter – zwei grauhaarige Männer im Samtanzug – trugen noch einen Text in Juristendeutsch vor, der mit Durchhalteparolen an die Versammelten endete. Rückfragen wurden nicht gestattet und die Versammlung wurde nach 15 Minuten abgewürgt.

Wie ist die Stimmung, wie haben die Kollegen die Nachricht aufgenommen?

Einige waren geschockt, Andere haben die Entwicklung schon kommen sehen. Viele aus dem Teams sind verunsichert und hoffen, dass ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt. Die Vorgesetzten mahnen zur Tagesordnung überzugehen und die sich zuspitzenden Bedingungen auszublenden. Positiv bleiben und Gott vertrauen – predigen sie.

Wie hat sich ihr Arbeitsplatz in den letzten Jahren verändert?

Seit vielen Jahren sind Mißstände in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen bekannt. Ständiger Kostendruck, Sparkurse und Investitionsstau wirken sich auf die dort Tätigen und die zu betreuenden Menschen enorm aus. Jene sind es auch, die unter dem stetigen Abbau von Versorgungsleistungen am Meisten zu leiden haben.

In stationären Wohnbereichen ist mittlerweile nur noch ein Mitarbeiter für teilweise über 50 hilfsbedürftige Menschen in der Nachtschicht verantwortlich. Personalmangel, Überstunden, “Holen aus dem Frei“ sind eher die Regel als die Ausnahme. Die Pflege wird weiter zur Akkordarbeit.

Wie schätzen sie es ein, wie konnte es zur Insolvenz kommen?

Im Bundesland mussten in den letzten Jahren zahlreiche Krankenhäuser schließen, viele soziale Einrichtungen bangen um ihre Finanzierung. Der neoliberale Umbau im Gesundheitswesen macht nicht vor einer diakonischen Einrichtung halt. Neben der unzureichenden Finanzierung der Krankenhäuser kam die Kündigung des Landesrahmenvertrages durch die Landesregierung hinzu. Dieser Vertrag regelte die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe. Durch die einseitige Kündigung stehen alle Träger der Behindertenhilfe in Sachsen-Anhalt vor unklarer und unzureichender Finanzierung.

Die aktuelle Lage im Unternehmen ist sicher auch auf mangelhaftes Management in der Chefetage zurückzuführen. Es kam zu mehreren Wechseln im Vorstand in den letzten Jahren, dennoch ist es ihm nicht gelungen zukunftsfähige Konzepte für die Einrichtung zu entwickeln.

Zudem hören wir von der Politik, dass Deutschland wieder Kriegstüchtig gemacht werden muss, da bleibt kein Geld für Soziales.

In den nächsten 12 Monaten soll eine “Sanierung“ erfolgen – was befürchten sie, auf welche Weise?

Das lässt wenig Gutes erahnen. In einer Insolvenz sollen Kosten gesenkt und die Effizienz gesteigert werden und das auf dem Rücken der Beschäftigten und der zu versorgenden Menschen. Es kann zu Kündigungen kommen, oft auch unter erleichterten Bedingungen. Lohnkürzungen und der Verzicht auf Sonderzahlungen sind möglich. Unprofitable Geschäftsbereiche werden aufgegeben. Es besteht das Risiko von Umstrukturierungen, oder sogar einer vollständigen Schließung. Letztlich muss sich die Belegschaft organisieren um auf kommenden Entwicklungen Einfluss nehmen zu können.