von Zusammen Kämpfen
Der Hass der gekränkten Männer
Statistisch gesehen sind die Massenmörder und Antisemiten in der westlichen Welt jung, weiß, männlich und extrem rechts, genau wie Stephan B. Der 27-Jährige entspricht offenbar genau dem Typus Attentäter, der schon so oft sein Unwesen getrieben hat: Ein junger Mann, der sich als Loser fühlt. Er projiziert seinen Selbsthass auf die „anderen“. Er ist anfällig für menschenfeindliche Ideologien. Denksysteme, die ihm erklären, wie er sein gekränktes, männliches Ego aufwerten kann. Erhöhung des Selbst durch Erniedrigung der anderen. Diese „Anderen“ sind bei Stephan B. Juden, Muslime und Frauen.
Kurz bevor er sich mal wieder als Loser abgekanzelt hatte, hatte Stephan B. einer Frau, die zufällig an der Synagoge vorbeigekommen war und sich über den Lärm beschwert hatte, in den Rücken geschossen. Anschließend feuert er noch mehrfach auf die am Boden liegende, vermutlich schon tote Frau.
Als nach und nach die Hintergründe der Tat bekannt wurden, wurde klar, dass der Täter über ein geschlossenes faschistisches Weltbild verfügte. Der junge Mann glaubte, dass die Welt von einer jüdischen Verschwörung gelenkt wird. Den Feminismus verstand er als ein Werkzeug, um die weiße Rasse zu vernichten, in Kombination mit einer „unkontrollierten Massenmigration“. Daher auch sein Hass auf Frauen. Das ausgerechnet eine Passantin dem Attentat zum Opfer fiel ist damit kein Zufall.
Das Manifest des Täters wurde in Foren der sogenannten „Incel“-Bewegung verbreitet. „Incel“ steht für „involuntary celibate“, also unfreiwillig Enthaltsame. Das liegt, laut Incel-Logik, daran, dass Frauen nur auf Männer mit gutem Aussehen oder Geld stehen und deshalb werden sie an ihrem “Anrecht” auf Sex und Reproduktion gehindert. Nicht wenige fordern deshalb, dass es eine “Umverteilung” von Sex geben soll und Frauen dazu gebracht werden sollen, auch Sex mit Männern zu haben, auf die sie keine Lust haben.Dass es vor allem ihr Verhalten ist, das sie unattraktiv macht, sehen sie nicht. Ihr Bild von Frauen ist geradezu paranoid. Frauen seien manipulativ, bösartig, triebhaft und primitiv. Eine Zielscheibe des Hasses der Incels sind Feministinnen. Ihnen geben sie die Schuld daran, dass Frauen über sich, ihre Sexualität und ihre Leben selbst bestimmen. Ohne Feminismus, so die Incel-Logik, hätten Frauen gar keine andere Wahl, als auch die Incels als potenzielle Partner zu betrachten.
Terror gegen Frauen
Incels sind ein noch sehr junges Phänomen des alten Patriarchats, ein neuer Weg, die bekannten männlichen Vorrechte zu proklamieren und durchzusetzen. Der Glaube, ein Anrecht auf den weiblichen Körper zu haben, ist Ausdruck einer zutiefst patriarchalen Weltanschauung, aus der sich Männer das Recht ableiten, Frauen Gewalt anzutun. Viele der Incels treten als Trolle im Internet auf und feuern sich gegenseitig an. Sie beschreiben, wie sie Frauen nachstellen und stalken und ihre Angst genießen. Sie beschimpfen Frauen und fantasieren von brutalen Vergewaltigungen. Sie attackieren Frauen aus der feigen Anonymität des Internets und feuern sich gegenseitig zu Gewalttaten an, die sie dann gemeinsam feiern, etwa, wenn es einem von ihnen gelungen ist, einer Frau Angst zu machen oder sie sogar zu verletzen.
Die Höchstform der Kompensierung des gekränkten männlichen Egos ist der Terror gegen Frauen. Elliot Rodger, der 2014 sechs Menschen auf dem Campus der University of California in Santa Barbara tötete und 14 verletzte, hinterließ ein 100seitiges Manifest über die kommende »Incel Rebellion«. Alek Minassian, der am 23. April 2018 in Toronto in eine Menschenmenge fuhr, bezog sich auf Rodgers, ebenso wie Scott Paul Beierle, der am 2. November 2018 bewaffnet in ein Yogastudio in Tallahassee, Florida, eindrang, zwei Menschen ermordete und vier weitere verletzte. Auch Anders Breivik hatte davon geträumt, das „Patriarchat wiederherzustellen“. Der Mann, der am 22. Juli 2011 in Oslo und auf der norwegischen Insel Utoya 77 Menschen erschoss, wollte nicht nur die Welt vor der „islamischen Invasion“ bewahren. Er war ein erklärter Frauen- und Feministinnenhasser. Diese Männer werden in den Incel-Foren als Helden verehrt.
Die für die Aufklärung solcher Verbrechen verantwortlichen Behörden vertreten meist die Ansicht, dass es sich um psychisch gestörte Einzeltäter handelt. Ihre Taten werden so zu tragischen Einzelfällen, die kaum zu verhindern sind. Das verharmlost die frauenfeindliche Motivation, die solchen Taten zugrunde liegt. Es ist das Merkmal einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft, dass Männer glauben, sie hätten ein Anrecht auf Frauen. Frauen werden nicht als Menschen mit eigenem Willen betrachtet, sondern als verfügbare Objekte, die einzig den Interessen der Männer zu dienen haben. Wollen Frauen selbstbestimmt und unabhängig leben, so setzen sie sich überall auf der Welt der Gefahr aus, dafür getötet zu werden. Es braucht kein frauenhassendes Regime, um diese misogyne Exekutive zu betreiben, vielmehr schwingen sich Männer auch im ach so liberalen und offenen Westen regelmäßig dazu auf, Frauen wieder auf ihre Plätze zu verweisen – mit Hasskommentaren, Drohungen und Gewalt, gegen fremde Frauen, aber vor allem gegen die Frauen, auf die sie glauben, ein “Anrecht” zu haben: Bekannte, Nachbarinnen, Kolleginnen, Partnerinnen, Ehefrauen, Töchter. Jeden Tag versucht in Deutschland ein eifersüchtiger oder gekränkter Mann, seine (ehemalige) Partnerin zu ermorden, jeden dritten Tag gelingt es ihm. Die Frauenhäuser sind voll, jeden Tag werden hunderte Frauen in Deutschland geschlagen und missbraucht.
Die Bluttaten der Incels sind der verlängerte Arm sexistischer Diskriminierung, ihre Subkultur kann nur in einer Gesellschaft gedeihen, die zwar von Gleichberechtigung redet, Frauen aber zeitgleich als Ware in Porno und Prostitution verkauft. Die Dehumanisierung von Frauen und die Suggerierung ihrer ständigen Verfügbarkeit ebnen den Weg für solche Taten.
Incels sind potenzielle Terroristen, die im Namen des Frauenhasses agieren. Ihre Taten sollen zum Vorbild für andere werden. Das Ziel: Angst und Schrecken unter Frauen zu verbreiten und sie für ihre Selbstbestimmung zu bestrafen. Stephan B. war kein Einzeltäter, in Wahrheit haben er und die anderen mordenden Frauenhasser hunderttausende Komplizen.
Keine mehr! Ein Angriff auf eine, ist ein Angriff auf alle!