Der Islamexperte, den sich Rassisten wünschen

Die Stadtbibliothek Magdeburg setzt im September die Reihe „Für Israel lesen“ fort, die von der Landeszentrale für politische Bildung organisiert wird.1 Nach Philipp Peyman Engel und Oliver Vrankovic liest nun Abdel-Hakim Ourghi aus seinem Buch „Liebe zum Hass“. Ourghi vertritt die These, dass es im politischen Islam eine Kultur der Verachtung, ja eine „Liebe zum Hass“ gebe, die für viele Muslime sinnstiftend und mobilisierend wirkt. Zionismus und Islamphobie, das sind die verbindenden Elemente der Autoren, denen die Stadtbibliothek eine Bühne bietet.

von Lydia Poser

Abdel-Hakim Ourghi, der Leiter des Fachbereichs Islamische Theologie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, fordert die „Reformation“ des Islam. Hinter dieser plakativen Forderung verbirgt sich die Unterstellung, dass der Islam im Wesentlichen rückständig wäre, während das Christentum längst eine „aufgeklärte“ Form angenommen habe. Gläubige Muslime erscheinen so als insgeheime Antisemiten, Homophobe, Feinde der Menschenrechte und der Gleichberechtigung.

Als muslimischer Luther inszenierte er sich selbst 2017. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung seines neuen Buchs nagelte er 40 Thesen zur Reform des Islam an eine Moschee in Neukölln. Seine zweifelhafte PR-Aktion sprach er damals zwar mit den Medien ab, nicht aber mit Vertretern der Moschee, mit denen er ja angeblich in den Dialog treten wollte.

Ourghi behauptet, der Islam habe ein Problem mit Gewalt, da im Koran Verse zu finden seien, die Gewalt legitimieren. Diese These ist zentral in seinem neuen Buch, das er im September auch in der Magdeburger Stadtbibliothek vorstellen wird. Würden wir der Logik Ourghis folgen, müssten wir auch das Christentum als gewaltverherrlichend darstellen, indem wir auf den Ku Klux Klan oder die Army of God verweisen.

Ourghi schlägt vor, die Suren des Korans, die zur Gewaltanwendung auffordern, für ungültig zu erklären. Auch die Bibel enthält solche Verse, die von den Kreuzzügen über die Inquisition bis hin zu den Kolonialkriegen immer wieder zur Rechtfertigung von Gewalt missbraucht wurden. Doch niemand käme auf die Idee von Christen zu fordern, sie deshalb neu zu schreiben. Ourghi steht in der Religionswissenschaft mit seinen reformistischen Vorschlägen ziemlich alleine da, doch für die Medien ist er Ansprechpartner der Stunde und Repräsentant eines „liberalen Islam“ geworden.

Besonders zu verurteilen ist Ourghis pauschale Darstellung des Islams und der Muslime. Er unterstellt ihnen kollektiv gewalttätige Neigungen: „Muslime hätten eher den Drang, den anderen destruktiv zu behandeln1. Es ist daher kein Zufall, dass Ourghi von Medien wie Welt und Emma hofiert wird, die für ihre islamfeindliche Berichterstattung bekannt sind. Auch der Rassist Thilo Sarrazin beruft sich in seinem Buch „Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ auf Ourghis Veröffentlichungen.

In Ourghis Islamkritik zeigt sich ein bekanntes Muster: Religionskritik in Deutschland wird nie verallgemeinert, sondern einzig auf den Islam bezogen. Das liefert Schützenhilfe für einen reaktionären Diskurs, der Muslime und Menschen, die man für solche hält, diskriminieren und ausgrenzen will. Die Forderung nach einer Reform des Islams wird in diesem Zusammenhang zu einer politischen Waffe, die Muslime unter einen Generalverdacht stellt.

Und täglich grüßt der „importierte“ Antisemitismus

Im Repertoire eines guten deutschen Islamkritikers darf natürlich nicht die Erzählung vom „muslimischen“ bzw. „importierten“ Antisemitismus fehlen. Nicht erst seit dem 7. Oktober hat diese Unterstellung in den deutschen Medien Hochkonjunktur. Ziel ist es, jeglichen Protest gegen den anhaltenden Völkermord Israels an den Palästinensern in Gaza zu diffamieren und delegitimieren.

Ourghi behauptet, dass Muslime dazu erzogen würden, alle Juden der Welt zu hassen: „Es wird ihnen beigebracht, dass „der Jude“ der ewige Feind der Muslime sei und der Staat Israel deswegen bekämpft werden müsse.1 Diese Aussage verwundert stark, denn im Gegensatz zum Christentum, das den Vorwurf des Gottesmordes gegen die Juden erhebt, enthält der Islam keinen solchen Vorwurf. Historisch betrachtet lebten Muslime, Juden und Christen in vielen Regionen über Jahrhunderte hinweg friedlich und kooperativ zusammen. Die pauschale Behauptung, der Hass auf Juden sei ein integraler Bestandteil des Islams, ist nicht haltbar, erfüllt aber die gesellschaftliche Funktion, Hass und Gewalt gegenüber Muslimen zu legitimieren.

Das Gerede vom importierten muslimischen Antisemitismus ist eine Lüge, die eine politische Funktion hat. Zum einen geht es darum, Rassismus zu legitimieren. Zum anderen dient diese Erzählung dazu, sich selbst zu entlasten. In dem Land, das einen Völkermord an sechs Millionen Juden verbrochen hat, zu behaupten, Judenhass wäre in erster Linie ein importiertes Problem, relativiert letztendlich den Holocaust. Die historische Verantwortung für die Verbrechen des deutschen Faschismus wird mit diesem Trick den Muslimen in die Schuhe geschoben. Das liefert die Legitimation für noch mehr Waffenlieferungen, noch mehr Angriffskriege und noch mehr rassistische Gesetze. Der Fokus auf einen angeblichen muslimischen Antisemitismus verharmlost außerdem die antisemitische Bedrohung durch Rechte und Faschisten.

Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, wird von Ourghi als Ausdruck einer tief verwurzelten Judenfeindschaft innerhalb der palästinensischen Gesellschaft interpretiert. „Der barbarische Angriff der Hamas-Terroristen galt nicht nur den Israelis, sondern den westlichen Werten überhaupt. Grenzen verschwammen zwischen dem Hass auf die Juden und dem Hass auf die westliche Moderne.“1 Damit leugnet er Apartheid, Besatzung oder Völkermord und schafft gleichzeitig eine Legitimation für die deutsche Politik, die durch Waffenexporte in Millionenhöhe eine direkte Mitverantwortung für Israels Verbrechen trägt.

Ourghi verteidigt Israels Völkermord bis aufs Letzte und nennt ihn gerecht: „Selbst ein gerechter und defensiver Krieg ist die Hölle; manchmal aber lässt sich die Hölle nicht vermeiden, schon gar nicht, wenn sie von anderen losgetreten wurde.“1 Er geht noch weiter und erklärt den genozidalen Siedlerstaat zum strahlenden Vorbild: „Als demokratischer Staat kann Israel ein Vorbild für muslimische Länder sein. Es ist ein Schloss in einem Dschungel, und es ist unsere Aufgabe als Demokraten, dieses Land zu verteidigen.“2

Auch nach dem Magdeburger Weihnachtsmarkt-Attentat meldete sich Ourghi zu Wort. Es kursierten viele Fehlinformationen, die bewusst gestreut wurden, um die Opfer des Attentats für eine rassistische Agenda zu instrumentalisieren. Die Behauptung, der Täter sei Islamist gewesen, befeuerte die ohnehin schon aufgeheizte Stimmung in der Stadt, die sich in einer Vielzahl von rassistischen Angriffen entlud. Ourghi unterstützte die von der Neonazi-Partei „Die Heimat“ und der AfD aufgestellten Behauptungen von einem islamistisch motivierten Anschlag und trägt damit eine Mitverantwortung für die folgende rassistische Gewalt.

Facebook-Beitrag von Dezember 2024

Stadtbibliothek und Landeszentrale für politische Bildung breiten Zionismus und Islamfeindlichkeit den roten Teppich aus

Ourghi ist nicht der erste, der Rassismus und Hetze in der Stadtbibliothek verbreiten darf. Auch die Zionisten Mirna Funk („Ich würde eine Mauer um Gaza bauen, so hoch wie der Eiffelturm. Komplett dichtmachen und dann sagen, […] wir hätten uns entschieden, keinerlei Verantwortung mehr zu übernehmen. Ende und aus. Keine Elektrizität, kein Wasser, kein Essen, keine Hilfsgüter mehr über einen Grenzzugang von Israel.1“), Matthias Küntzel (unterstützt die Kampagne „Stop the Bomb“, die für einen präventiven Krieg gegen Iran wirbt – notfalls auch mit Atomwaffen2) und Philipp Peyman-Engel (leugnet vehement, dass Israel die Menschen in Gaza verhungern lässt3) bekamen in der jüngeren Vergangenheit die Bühne geboten. Damit muss endlich Schluss sein!

Wieso findet eine Lesung für einen Staat statt, der seit Oktober 2023 einen Völkermord begeht, der aktuell die Bevölkerung Gazas aushungert und Konzentrationslager errichtet?

Da fragt man sich ernsthaft, ob Björn Höcke höchstpersönlich die Gäste der Stadtbibliothek aussucht. Erst vor wenigen Wochen ist ein Mann in Magdeburg aus rassistischen Motiven in eine Gruppe Kinder gefahren, motiviert genau von der gleichen Propaganda, die die Stadtbibliothek Magdeburg hier schamlos verbreitet. Die Stadtbibliothek und auch die Landeszentrale für politische Bildung sind trotz ihrer scheinheiligen Lippenbekenntnisse zu Vielfalt und Toleranz mitschuldig an den Hassverbrechen auf den Straßen Magdeburgs.

Wendet Euch gegen die zionistische Instrumentalisierung von Kultur- und Bildungseinrichtungen, die wir von unseren Steuergeldern bezahlen!

Veranstaltungen wie diese dürfen nicht unwidersprochen stattfinden: Keine Bühne für Kriegstreiber und rassistische Hetzer in unseren Kultur- und Bildungseinrichtungen!

1https://www.nzz.ch/meinung/die-palaestinenser-muessten-sich-emanzipieren-wollen-und-den-opfermythos-ablegen-ld.1760802

2https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/muslime-und-antisemitismus/

3https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/gaza-israel-und-der-hunger/

1https://www.evangelisch.de/inhalte/243712/25-05-2025/islamwissenschaftler-ourghi-frieden-zwischen-juden-und-muslimen-moeglich

2https://bnn.de/nachrichten/baden-wuerttemberg/islam-experte-ourghi-israel-ist-ein-schloss-in-einem-dschungel-wir-muessen-es-verteidigen

1https://www.evangelisch.de/inhalte/243712/25-05-2025/islamwissenschaftler-ourghi-frieden-zwischen-juden-und-muslimen-moeglich

1https://bnn.de/nachrichten/baden-wuerttemberg/islam-experte-ourghi-israel-ist-ein-schloss-in-einem-dschungel-wir-muessen-es-verteidigen

1https://www.sonntagsblatt.de/artikel/glaube/abdel-hakim-ourghi-und-ark-nitsche-welcher-islam-gehoert-zu-deutschland

1https://lpb.sachsen-anhalt.de/demokratie-toleranz/fuer-israel-lesen