Die Grenzen des Sagbaren und des Strafbaren

Die Repression nimmt zu. Das wissen wir. Aber mittlerweile werden nicht nur die Strafen härter, sondern auch der Verfolgungseifer penetranter. Der repressive Staat verteidigt nicht mehr nur sein Gewaltmonopol sondern jetzt auch noch sein Informationsmonopol. Während also früher ein Outing nur ein Outing war, so ist es heute Beihilfe zu Straftaten und – wenn dem Fascho irgendwas passiert (vom Gepöbel auf dem Bolzplatz bis zum Enkeltrick) ist dieses Verbrechen ein triftiger Grund für eine Hausdurchsuchung in linken Räumen.

Klingt falsch? Isses auch. Aber es passiert: Gegen eine Magdeburger Antifaschistin wird seit 4 Jahren in mehreren Verfahren ermittelt, in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ihr wird Antifa-Recherche als Beihilfe zu militantem Antifaschismus vorgeworfen. Gerade im Osten ist es aber überlebenswichtig, über Faschos Bescheid zu wissen. Die sind hier nämlich überall. Zum Zwecke ihrer Kriminalisierung wird ihr eine schädigende Absicht unterstellt. Jeder Beweis dafür fehlt. Egal. Allein das wertvolle Wissen in linken Händen, wer diese Faschos eigentlich sind über die alle reden, würde laut Polizei nämlich auch bedeuten, dass es jederzeit genutzt werden kann, um die politischen Gegner zu schädigen. Der Schutz von Faschos samt Drumherum ist den Behörden so wichtig, dass sie ihre kleinen Lieblinge sogar per Briefpost samt Hinweis auf Möglichkeit der Strafanzeige vor der Gefahr warnen, um sicherzustellen, dass auch keine Gelegenheit zur Repression gegen links ungenutzt bleibt.

Ohne jahrelange antifaschistische Recherche wäre „Martin Sellner“ nur irgendein Name. Durch Veröffentlichung von Informationen über ihn, auf barriere-, werbungs- und kostenfrei zugänglichen sowie abmahnungs- und klagesicheren Portalen, wird Sellner öffentlich- und medienwirksam als der Faschist sichtbar, der er ist. Diese Vorarbeit in Form von Informationsbeschaffung und unabhängiger Publikation leisten Antifas auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko und bleiben als Quellen in darauf aufbauenden Veröffentlichungen in der regulären Presse oft völlig unerwähnt. Antifaschistische Recherche ist zumindest für die Öffentlichkeit bewusst unsichtbar. Die Repression ist nämlich so sicher wie der Skandal in der BILD. Aber trotzdem sind Rechercheportale für Ermittlungsbehörden von besonderem Interesse.

Wenn also einer Magdeburger Antifaschistin Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung in 2 Fällen vorgeworfen wird, dann passiert das nicht, weil die Beweislage diese Anklage erzwingt, sondern weil die gegenwärtige politische Dynamik eine fadenscheinige Anklage gegen Linke zulässt und zumindest der Staatsanwaltschaft eine Verurteilung tatsächlich möglich erscheint. Der konstruierte Vorwurf der Beihilfe kontextualisiert das Datensammeln durch Linke zu einer Straftat.

Eine wohlwollende Besprechung antifaschistischer Aktionen gibt es nur noch als Verteidigung der jeweils Beschuldigten in Strafverfahren und in der juristischen Auseinandersetzung mit einer immer härter und breiter strafen wollenden Justiz, aber nicht mehr in der Berichterstattung darüber. Die Presse gibt sich unparteiisch und neutral, schafft es aber nicht, sich von der Sicht der Ermittlungsbehörden zu lösen oder diese im Sinne der Unschuldsvermutung zu hinterfragen. Ein Leak aus „Sicherheitskreisen“ wirkt nach dem stumpfen Wiederkäuen medial wie ein vorweggenommener Urteilsspruch, nur eben ohne jede Möglichkeit zur Verteidigung für die Beschuldigten. 

Sicher ist dabei, dass selbst die Linkspartei sich wieder auf die Seite der Opfer „linker Gewalt“ stellen und im Kanon mit AfD bis CDU und auch Recherche als Beihilfe verurteilen wird, nur weil irgendein AfDler sich in wilder Paranoia kreischend vor einem militanten Hausbesuch fürchtet, aber damit seine Angst meint, dass die Lügen in seinem Lebenslauf auffliegen könnten. 

Wenn aber nun selbst die Recherche als Beihilfe zu Straftaten gelten soll, weil angeblich allein das Wissen darum in den Händen einer Antifaschistin als  Straftat gilt, kommen wir schnell an den Punkt, an dem ein immer weiter nach rechts rückender Staat, darüber bestimmen möchte, wer etwas über wen wissen und wie bewerten darf. Die Presse ist nämlich im staatlichen Streben nach dem totalen Informationsmonopol stets einfacher zu kontrollieren als in jedem Sinn unabhängige und repressionsneutrale, jeder Öffentlichkeit frei zugängliche Medien.