Über die Folgen der Ausgangsbeschränkungen in einer ostdeutschen Großstadt – ein Situationsbericht:
Die „Corona-Krise“ wirkt sich in den letzten Tagen zusehends auch mehr auf den Straßen aus. Die Spielplätze wurden mit Flatterband abgesperrt und das Ordnungsamt und die Polizei bestreifen regelmäßig den Stadtteil. Die regionale Presse skandalisiert aufgelöste Skatturniere, unterbundene Zusammenkünfte zum Grillen oder Auseinandersetzungen in Supermärkten um Klopapier.
Viele Menschen scheinen heute zu Hause zu bleiben. Jene, die draußen sind, halten Abstand. So auch einige Jugendliche, die sich heute auf der Straße und den öffentlichen Plätzen in Stadtfeld begegnen. Sie werden umgehend vertrieben. Die Behörden sprechen willkürliche Platzverweise aus, notieren sich die Namen von Kindern und Jugendlichen und drohen mit weiteren repressiven Maßnahmen.
Ein weiterer Bericht über das Vorgehen der Polizei in Stadtfeld erreichte uns am Nachmittag. Zwei Personen wurden in der Nähe des Olvenstedter Platzes von Beamten ausführlich kontrolliert und beleidigt. Den Stadtfelder Spaziergängern nahmen die beiden Polizisten eine Plastiktüte weg, in der sich auf Papier geschriebene antikapitalistische Forderungen zur aktuellen Corona-Krise befanden. Welches Delikt den Beschuldigten zur Last gelegt werden sollte, wissen wir nicht.
Zurück bleibt der Eindruck der Polizei als Besatzungsmacht, die Menschen nun noch willkürlicher als sonst kontrollieren und bewachen wird.
Eins wird dieser Tage mehr als deutlich: Die Lage spitzt sich zu. Wie erwartet, nutzen die Repressionsbehörden ihre erweiterten Befugnisse und werden die Situation mit Blick auf die kommenden Tage weiter eskalieren. Wir dürfen diesen Entwicklungen nicht widerstandslos zuschauen. Es gilt, um so mehr aufmerksam zu sein, sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen und handlungsfähig zu bleiben.
Wir müssen den Ausnahmezustand auf den Straßen und in den Köpfen nutzen, um die wahren Verursacher der Krise des Gesundheitssystems zur Rechenschaft zu ziehen. Wann, wenn nicht jetzt?