Die linksradikale Gruppe Rote Wende Leipzig beteiligt sich an dem Protestbündnis „Jetzt reicht’s“, um in Leipzig einen breiten Widerstand gegen die Preiserhöhungen zu organisieren. Dabei stößt sie auf viele politische Widersprüche.
Paul Müller hat Lena und Ricky von der Roten Wende am achten Oktober in Leipzig getroffen und mit ihnen für Megaphon über Klassenkämpfe in der Wirtschaftskrise gesprochen.
Könnt ihr eure Gruppe kurz vorstellen, wer seid ihr, was sind eure politischen Schwerpunkte?
Ricky: Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, weil unsere Gruppe gibt es jetzt seit 2016 und wir haben uns seitdem auch immer wieder mal ein wenig neu gefunden und es gab auch personelle Wechsel innerhalb der Gruppe, aber grundsätzlich ist der Hauptschwerpunkt bei uns immer gewesen, dass wir gesagt haben, wir wollen eine Klassenperspektive aus marxistischer Sicht in Leipzig etablieren und versuchen, zu stärken. Das war zu Entstehungszeiten nicht ganz so einfach und ist jetzt ein bisschen einfacher geworden, dass man sich eben hier als marxistische kommunistische Gruppe definieren kann. Wir sind aber natürlich solidarisch auch mit vielen anderen Kämpfen, aber der Schwerpunkt bei uns liegt schon im Klassenkampf und die Situation unserer Klasse zu verbessern.
Lena: Wir haben verschiedene Schwerpunkte und wir sind mittlerweile auch ein bisschen gewachsen. Neben der Roten Wende gibt‘s noch die Revolutionären Frauen Leipzig, die sich halt eben natürlich mit feministischen Themen auseinandersetzt, auch immer aus einer klassenkämpferischen Perspektive. Und dann ist noch die Jugend im Kampf da, die junge Leute politisiert und auf die politische Arbeit vorbereitet.
Ricky: Ja und eine Perspektive von Menschen unter 25 auf die politische Situation gibt und deren halt auch ein Sprachrohr gibt. Mit den Gruppen arbeitet die Rote Wende Leipzig sehr viel zusammen.
Okay aber die machen noch so eigene Sachen auch sozusagen die Gruppen.
Ja also die sind völlig unabhängig quasi in ihrem Handeln, aber es sind halt Gruppen mit denen wir gewisse Assoziationen pflegen und wo halt eben immer Menschen miteinander große Verbindungen haben und wir sehen die schon als ein Teil unserer direkten Bewegung an und versuchen da so eng wie möglich mit denen zusammenzuarbeiten, wo es immer geht.
Wie viel Personen seid ihr?
Ricky: Wir sind noch nicht dreistellig.
Lena: Aber es fehlt auch nicht mehr viel.
Ricky: Wir können zu unseren Demonstrationen schon mit wenig Mobilisierung 150 bis 200 Leute mobilisieren. Das heißt aber nicht, dass die alle bei uns in der Gruppe sind oder bei den anderen Gruppen. Das heißt einfach das ist unser Umfeld und jede Gruppe hat halt quasi so ihre eigenen Themen, die sie bearbeitet, die auch schwerpunktmäßig bearbeitet werden müssen und die eben untergehen würden, würde man das alles in einer Gruppe zusammenfassen. Also es kann nicht sein, dass Jugendliche von irgendwelchen 35-, 40-jährigen alten Männern repräsentiert werden, die erzählen, was die Jugend denkt und das gleiche trifft eben auch für Frauen und deren Perspektive zu, die sollten eben nicht von Typen die eh schon viel zu viel quatschen, so wie ich, repräsentiert werden, sondern eben sollten Möglichkeiten haben, ein eigenes Sprachrohr, eine eigene Artikulation von eigenen Aktionen. Und da funkt dann eben auch keiner von RWL dazwischen von den Männern und sagt: Hier, so und so muss Frauenkampf aussehen, sondern das ist halt etwas was die Revolutionären Frauen vollkommen unabhängig entwickeln.
Lena: Und was wir sehr schätzen, sind die Synergieeffekte zwischen den drei Gruppen. Das funktioniert sehr gut und wir schaffen es so, uns gegenseitig zu bestärken und auch gegenseitig voneinander zu lernen. Und das ist auf jeden Fall sehr positiv.
Ricky: Also es ist nicht so, dass eine Gruppe irgendwas vorgibt, sondern dass das eben auch im Austausch und mit einer Fehlerkultur, die akzeptiert wird, einhergeht und wir hoffen dann eben, dass das weiter so ist, dass wir eben zusammenarbeiten und da eben möglichst viel miteinander machen können.
Vor wenigen Tagen war der 3. Oktober, in eurem Namen tragt ihr auch das Wort „Wende“. Leipzig ist mit den Protesten gegen die DDR und der anschließenden „Wiedervereinigung“ stark verknüpft, was bedeuten diese historischen Themen für euch?
Ricky: Also der Name Rote Wende Leipzig ist auch direkt von der ja in Anführungsstrichen „Wendestadt Leipzig“ und von der reaktionären Wende, die 89, 90 stattgefunden hat, als Gegenmodell etabliert worden. Also wir haben ganz klar gesagt: Okay wir wollen so heißen, weil wir eben eine rote Wende brauchen, weil wir eben eine Umkehr von dem Gedanken, dass das jetzt immer alles besser wird und dass der Kapitalismus der Heilsbringer ist. Dahingehend hat sich der Name dann eben entwickelt. Generell haben wir aber jetzt nicht den Schwerpunkt 3. Oktober, 7. Oktober also Tag der Deutschen Einheit oder Tag der Republik. Das sind für uns jetzt keine historischen Daten bei denen wir aktuell viel Kraft aufwenden. Wir kennen die Daten, wir wissen auch um die Problematik und wir waren auch am 3. Oktober wieder auf der Straße. Allerdings ist das jetzt nicht von uns vorgesehen, dass wir jetzt diese Themen noch mal 30 Jahre nach der Wende explizit versuchen, da die DDR-Perspektive aufzugreifen. Aber eine ostdeutsche Perspektive halten wir natürlich für notwendig.
Lena: Roten antiimperialistischen Gruppen wird ja auch immer vorgeworfen man würde die DDR verherrlichen. Also das tun wir natürlich nicht. Wir setzen uns kritisch damit auseinander, aber wir sehen halt auch: Was war gut, was war schlecht. Und um da jetzt zum Beispiel konkret zu werden oder um das jetzt auch noch mal für die Revolutionären Frauen aus der feministischen Perspektive zu sagen: Man muss halt einfach sagen, dass den ostdeutschen Frauen nach der Wende das Recht auf körperliche Selbstbestimmung genommen wurde. In der BRD ist ja Selbstbestimmung verboten, also wir haben immer noch ein Paragraph 218 (Red.: Abtreibungsverbot). Das ist was, womit sich die Frauen halt zum Beispiel sehr intensiv auseinandersetzen. Gleichzeitig kritisieren wir auch, was da damals passiert ist. Aber wie jetzt schon Ricky sagt, also der dritte Zehnte war jetzt für uns, wir waren hier auf der Straße, weil eben die Rechten versucht haben, die Krisenproteste für sich zu vereinnahmen und das würden wir aktuell eher als Fokus sehen.
In der nächsten Frage geht es auch die Straßenproteste, wo ihr euch auch beteiligt. Ihr habt am 05.09 die Demo der Partei Die Linke gegen die Preiserhöhung in Leipzig unterstützt. Wollt ihr euch weiterhin an diesen Krisenprotesten beteiligen und wenn ja, wie?
Lena: Ja, wir sehen es als absolut notwendig, sich daran zu beteiligen. Und es ist nicht nur notwendig, also man kommt halt auch nicht drumherum, wenn man sich irgendwie politisch engagiert. Insbesondere Leipzig ist hier ein ziemlich heißes Pflaster. Am 5.9 hat es ja angefangen, dass der Sören Pellmann eben versucht hat, auch Linke auf die Straße zu bringen. Das hat sich ziemlich hochgekocht, also mittlerweile haben wir, ich glaube letzten Montag (Red.: 3.10.) waren es fast 5000 rechte Kräfte die durch Leipzig marschieren, also sich da rauszuhalten, weil man halt eben sagt: Nee da sind jetzt irgendwie Nazis auf der Straße oder so, erachten wir für falsch. Man muss da was tun, man muss da aktiv werden und zum einen machen wir das natürlich durch direkten Gegenprotest, also wir sind montags auch dann in der Innenstadt, zum anderen beteiligen wir uns natürlich auch an anderen Aktionen, versuchen natürlich auch viel aufzuklären, viel Bildungsarbeit zu leisten.
Ricky: Uns ging es nie darum, dass jetzt eine bestimmte Partei oder eine bestimmte Organisation dazu aufruft. Wir sehen die Notwendigkeit. Dadurch, dass wir in Sachsen leben und hier ist gerade aktuell, wie fast in gesamt Ostdeutschland, die AfD die stärkste Macht mit 30 Prozent laut Wahlbefragung. Und danach kommt eben die CDU mit quasi 25 Prozent und wir müssen eben davon ausgehen, dass die Faschisten und Konservativen einfach eine haushohe Mehrheit haben und wer hier die Kleinstädte in Sachsen betrachtet, der sieht eben, da ist Leipzig eben doch noch mal eine andere Situation, der sieht eben auf jeden Fall, dass da eine große Deutungshoheit von rechts versucht wird gegenüber Krisenerscheinungen und gegenüber ja Krisen des Kapitalismus. Und wir sehen halt die Notwendigkeit, dass wir uns auf jeden Fall den Protesten gegen die Auswirkungen von ja Krieg und Rezessionen und Inflationen auf unsere Klasse, dass wir da was entgegenstellen und würden uns halt immer den erfolgreichen Protesten anschließen. Die können leider offensichtlich nicht mehr nur von der radikalen Linken initiiert werden. Da sind einfach die Stärkeverhältnisse ganz klar und ganz deutlich, sondern die Proteste müssen eben offensichtlich breiter aufgebaut werden. Und da würden wir uns dann halt immer den Strukturen die hier noch Menschen auf die Straße bringen, mit denen würden wir zusammenarbeiten und halten das eben auch für notwendig. Dabei ist natürlich die Frage, wir können das auch nicht immer absehen. Der fünfte Neunte war jetzt ein sehr spezieller Tag. Da wurde halt von der Presse sehr schnell, von den bürgerlichen Pressemedien sehr schnell eben gegengeredet, dann wird von Querfront gesprochen. Das greifen die Nazis natürlich am liebsten auf, die Faschisten, und sagen: Ja, haha jetzt Querfront, was wir schon immer wollten, möglichst um linken Protest eben niederzuhalten, oder eben zu vereinnahmen. Und dagegen müssen wir uns halt wehren und da konnten wir dann eben nicht auf eine Reinheit der Lehre setzen, sondern eben auf ja eine Praxis, die eben sagt: Wer gegen die Krise und diesen Krieg was sagen möchte, der darf eben nicht mit den Nazis marschieren und mit den Faschisten, der wird dann nur eine nationale Antwort kriegen und die wird immer nur ins noch Schlechtere führen. Sondern man muss eben das System attackieren und kritisieren und dann eben versuchen wir da in diesen Protesten, die eben ja nicht rechts sind, versuchen wir halt auch rein und unsere Kräfte und unsere Unterstützung, um die dann eben möglichst stark zu machen.
Ja das wäre das nächste Stichwort, wie man das konkret machen kann. Ihr seid an dem Leipziger Krisenbündnis „Jetzt reicht’s“ beteiligt, da gibt es jetzt auch am 15.10 eine große Demo, soll es geben in Leipzig. Und im Internet gab es halt ständig irgendwelche Kommentare zu der Gewerkschaft der Polizei, die da auch mitmacht und ihr habt auch nicht unter dem Aufruf unterschrieben als Gruppe. Wie geht ihr denn mit diesen Widersprüchen um, da ihr auch schon mit Polizeirepressionen zu tun hattet?
Lena: Hatten wir das? (Lacht.) Zunächst mal muss man sagen, das ist nicht die Polizeigewerkschaft. Der DGB sitzt mit drinne und es hat eine Einzelperson, die aus der Polizeigewerkschaft kommt, als Einzelperson unterschrieben. Trotzdem ist die Kritik natürlich berechtigt. Man muss also zwei Sachen bedenken: Zum einen, die Lage ist so ernst, dass die radikale Linke mit solchen Leuten in einem Bündnis sitzt. Da finde ich, man sollte den Spieß da eher umdrehen und das betrachten, wo kocht es eigentlich gerade. Dann ist es so, dass die radikale Linke als solche personell und auch in ihrer Stärke einfach nicht dasselbe auf die Beine stellen kann und da muss man einfach gucken, wo kann man am ehesten die eigenen Inhalte platzieren und wo kann man am ehesten was erreichen. Und wenn man halt dann in den sauren Apfel beißen muss, aber gleichzeitig dafür eine Menge Leute erreicht mit den eigenen Inhalten, dann muss man da halt manchmal einfach abwägen und das haben wir getan. Und deswegen finden wir es wichtig, auch wenn wir da nicht unterzeichnet haben, aber auf jeden Fall dahin zu gehen, da präsent zu sein, vor allem unsere Inhalte auch klar und deutlich zu machen und noch so ein bisschen eine antikapitalistische Perspektive mit reinzubringen.
Ricky: Also die Polizei ist für uns überhaupt kein emanzipatorischer Partner oder so und wir sehen, unsere Genossen werden dieses Jahr bundesweit, aber halt auch Genossen aus unseren Strukturen, mit Repressionen überzogen. Wir haben in Leipzig fast jeden Monat Hausdurchsuchungen. Es sind nach unseren Schätzungen gerade drei 129-Verfahren gegen Linke und linke Chemie-Leipzig-Fans am Laufen. Es gibt für uns da jetzt keine Debatte, das ist für uns nicht irgendeine Situation, wo wir jetzt sagen, wir wechseln unseren Kurs gegenüber Polizei oder Staat ab, sondern wir haben das öffentlich gemacht, dass eben auch die DGB-Gewerkschaften und dazu gehört nun mal auch eine Polizeigewerkschaft in diesem Bündnis sitzen. Das ist nicht das, weil wir es wollten, sondern wir waren zu schwach, um die auszugrenzen, konkret. Wir sind einfach nicht in der Lage eben Druckmittel aufzubauen, da Bündnisse nach unserer Wahl aufzubauen, sondern müssen da eben auch mit Bündnissen arbeiten, die eben sich selbstständig zusammensetzen und wir werden das Bündnis deshalb aber nicht verlassen, sondern versuchen eben ganz klar zu sagen: eigene Inhalte.
Und wir werden eben da auch sagen, wer am Ende diese Krise aufheben möchte und wer am Ende eben nicht zusehen will, dass wir das zahlen und mit „wir“ meine ich halt unsere Klasse, sondern dass das die Reichen, die jetzt immer noch dran verdienen, die immer noch an dieser Situation verdienen, dass die das Zahlen, der braucht starke Kräfte, der muss das gesellschaftlich umsetzen können. Das geht eben nicht, wenn wir da mit 50 Leuten irgendwo ja eine Straße blockieren, oder wenn wir eben irgendwo eine Bank einschmeißen, sondern dann brauchen wir halt gesellschaftliche Mehrheiten. Und die können wir gerade alleine nicht stemmen, sondern brauchen eben Bündnisse. Deshalb sind wir ganz klar dafür, dass sich Linke, Kommunisten, Anarchisten und alle, die diese Gesellschaft und diesen Kapitalismus kritisieren, sich an dieser Demonstration beteiligen, da aber ihre eigenen Standpunkte natürlich mit einbringen und wir eben versuchen, ganz klar zu sagen, die Reichen müssen zahlen. Und wir müssen als nächstes natürlich auch ein gesellschaftlichen Umbau planen, sonst haben wir die Krise dann eben einfach nur vertagt auf das nächste Jahr und stehen dann gleich wieder vor der nächsten Inflationen, die ja quasi einfach nur reiche Menschen nicht so hart trifft wie unsere Klasse, oder Leute, die eben prekarisiert sind. Und damit das nicht die ganze Zeit in Abwehrkämpfen verhindert werden muss, müssen wir eben auch sagen: Wir brauchen einen gesellschaftlichen Wandel, eine gesellschaftliche Wende und die werden wir halt in diesem Bündnis versuchen, so stark wie möglich zu vertreten.
Lena: Vielleicht noch für dich auch so kurz zur Info, also die offizielle Aussage von dem Bündnis ist, dass diese Leute auch nicht reden dürfen. Also die Polizeigewerkschaft wird keinen Redebeitrag oder sowas in der Richtung halten, ist der aktuelle Stand, werden wir sehen wie sich das entwickelt.
Die Grüne Jugend ist ja auch Teil von diesem Bündnis und eben die Jugend der Regierungspartei. Und es geht eben auch das Gerücht um, dass Linksradikale das Parteibüro der Grünen in Leipzig bemalt hätten.
Ricky: Das waren wir, ja.
Wie ist da eure Position zu den Grünen in dem Bündnis?
Die Grünen sind sicherlich eine bürgerliche, linksliberale Partei, die ganz klar staatstragend versucht, den Kapitalismus so zu reformieren, dass er eben ein bisschen schicker ist, ein bisschen woker ist, dass es halt ein bisschen besser läuft und versucht da eben ein paar gesellschaftliche Widersprüche im Kapitalismus irgendwie zu bereinigen. Sie sind keine Lösung, sie sind Teil des Problems. Das ist aber leider eben immer noch so. Und das auch bei den Grünen eben Menschen den Kurs der Regierung kritisieren und sich deshalb das Recht rausnehmen wollen mit uns da zu demonstrieren, das werden wir nicht verhindern. Aber grundsätzlich: Wer die Grünen wählt und mit den Grünen zusammenarbeitet, der entscheidet sich halt für Krise, Krieg, ja Heuchelei und das muss man eben auch klar benennen.
Lena: Ja, es wird auf jeden Fall spannend, auf die zu treffen. Es ist nicht so, dass wir da unvorbereitet hingehen würden.
Ricky: Aber wir müssen das gesellschaftlich immer einordnen. Es ist jetzt so, dass wir hier davon reden, dass die Grünen in Sachsen froh sind, wenn sie über die Fünfprozenthürde kommen. Sie beteiligen sich natürlich dann trotzdem immer gern an der Regierung, sind hier auch Regierungspartei. Aber das Hauptproblem, das Hauptthema ist immer noch, dass die Faschisten der AfD scheinbar bessere Ansprechpartner für die Bevölkerung sind. Und wir müssen da eben eine Alternative zur AfD sein. Wir müssen sagen: Wer die Krise, wer die Energiekosten nicht auf die Armen abwälzen möchte, der muss mit uns zusammenarbeiten, der muss auf die Straße gehen, der muss versuchen eine kommunistische, marxistische Lösung anzustreben. Und das ist eben das größte Problem oder das ist das Thema. Da können wir uns jetzt nicht erlauben, dass wir sagen, die einen sind jetzt nicht ganz so links oder die einen sind halt noch dümmer als wir. Das ist jetzt die eine Geschichte, in Sachsen haben wir wirklich ein Problem, dass hier die Kleinstädte montags mit Tausenden Menschen gefüllt sind, die Rechten, rechter Meinung, rechter Propaganda folgen und selbst in gesamt Ostdeutschland ist das ein Problem. Also in Magdeburg folgen auch mehrere Tausend Leute dem AfD-Aufruf montags zu Demonstrationen. Und es gibt halt eben keinen entsprechenden Gegenaufruf, der das irgendwie kräftemäßig aufhebt. Ja und wenn das hier in Leipzig versucht wird, dann unterstützen wir das und dann müssen wir halt auch leider in den sauren Apfel beißen und da eben auch mit Spinnern zusammenarbeiten, die offensichtlich aber nicht ganz so gefährlich sind wie eben die AfD, die für uns auf jeden Fall eine große Bedrohung darstellt und für Menschen die eben vielleicht keine deutschen Namen haben oder wirklich als Feindbilder der AfD gelten können. Die ja dann noch mal in einer größeren Gefahr sind. Da können wir dann halt nicht danebenstehen und sagen, wir müssen uns erstmal intern in der Linken darüber unterhalten, was jetzt passiert, sondern da ist der Druck einfach viel zu groß.
Jenseits von der Realpolitik versteht ihr euch auch als kommunistische Gruppe. Was bedeutet das für euch: Kommunismus? Und wie stellt ihr euch vor, dahin zu kommen – irgendwann mal? Eine kurze Antwort bitte.
Lena: Kurz gesagt: natürlich eine klassenlose Gesellschaft, frei von kapitalistischen Zwängen.
Wie wir uns vorstellen, dahin zu kommen…?
Ricky: Du sagst ja: unabhängig von Realpolitik. Das ist für uns nicht unbedingt unabhängig von Realpolitik. Also für uns ist Realpolitik schon das Wichtigste und auch der Schwerpunkt den wir haben. Also die Bedrohung, dass Leute eben aus der Wohnung fliegen, weil sie die Heizkosten nicht mehr zahlen können, oder die Mietkosten nicht mehr zahlen können, die steht für uns auf jeden Fall an erster Stelle. Bevor wir uns dann mit denen darüber unterhalten, mit den Menschen, die eben von dieser Armut betroffen sind, wie wir jetzt eine kommunistische Gesellschaft am sinnvollsten aufbauen. Das ist ein Punkt, der ist auch für uns interessant, aber der spielt eben nicht ganz so eine große Rolle. Marx und Engels haben in der Deutschen Ideologie geschrieben, dass Kommunismus nicht ein Zustand ist. Also es ist jetzt nicht ein Endpunkt, sondern das ist eine Dialektik, eine Bewegung. Das ist immer eine Bewegung. Das heißt eine Idee, die eben diesen aktuellen Zustand aufhebt. Also wir reden davon, dass eine Negation der Situation, also des aktuellen kapitalistischen Daseins, stattfinden muss und diese Negation würde man dann als Kommunismus bezeichnen. Und das hört halt nicht auf. Also nur weil wir dann irgendwann mal 51 Prozent eine kommunistische Partei gewählt haben, ist nicht Kommunismus. Und nur weil dann eben die Produktionsmittel vergesellschaftet werden und Produktion und Konsumption vielleicht in einer Planwirtschaft demokratisch bestimmt werden, ist das immer noch kein Kommunismus. Es bedarf eben der gesamten Situation, der gesamten Bewegung. Genau. Das kurz zusammenzufassen, das ist einfach utopisch.
Da ist Realpolitik viel wichtiger. Und selbst wenn der Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise aufgehoben wäre, dann wäre ja der Widerspruch, des Patriarchats immer noch nicht aufgehoben. Also wir können nicht sagen, die Situation ist an einem gewissen Punkt und dann ist es vorbei und das ist jetzt Kommunismus, sondern das ist halt ein ständiger Wandel, in dem die Reflektion des Ist-Zustands und die Aufhebung des Zustands die ganze Zeit abläuft.
Lena: Das ist sehr schön gesagt. Mit der Realpolitik – das passt eigentlich ganz gut zu unserer Arbeit. Also zum einen betreiben wir einfach viel Bildungsarbeit, wir bestärken Leute in ihrem Tun darin, dass sie sich wehren können. Wir unterstützen Arbeitskämpfe, wir tragen Proteste auf die Straße und das sind lauter viele kleine Revolutionen, die aber auf jeden Fall auf dem richtigen Weg zum Ziel führen.
Also die die Negationen sozusagen in der realen Welt versuchen.
Ricky: Ja, das wird man nicht schaffen. Also das sehen wir jetzt auch nicht. Wir sehen ganz viele Ansätze, wir sehen immer wieder viele Punkte, wo wir sagen: Ja das ist irgendeinen Punkt, wo man merkt, dass die kapitalistischen Widersprüche auch von uns mit einem besseren Vorschlag beantwortet werden können. Sei es eben, dass wie in der F52 (Red.: soziales Zentrum in Magdeburg), dass da kostenlose Haarschnitte angeboten werden, oder dass es Stammtische gibt, wo Frauen sich unabhängig von der gängigen patriarchalen, männlich geprägten Meinung erstmal unterhalten können und sich selber finden können und ihre eigenen Themen definieren können. Ja, dass Menschen frei von Angst vor Faschisten auf der Straße rumstehen können und von Stadtteil zu Stadtteil laufen können, ohne dass sie Angst haben, angegriffen zu werden. Es gibt viele Punkte, wo wir sagen, diese Gesellschaft hat Widersprüche und wenn wir versuchen, diese aufheben zu können, dass wir eben diese negativen Punkte aufheben können, dann ist es ein guter Schritt, aber Kommunismus ist natürlich etwas sehr Großes.
Um da jetzt auch noch mal zurückzukommen, die DDR hatte sicherlich auch gute Ansätze, aber ist eben auch gescheitert. Sie ist nicht gescheitert, weil die Ansätze jetzt total falsch waren, sondern weil eben es Widersprüche zwischen Bevölkerung und deren Wünschen und bestimmten herrschenden Regierungsstrukturen gab und die konnten offensichtlich nicht immer emanzipatorisch aufgelöst werden in einem bestimmten Moment. Und so gab es eben Widerspruch auch innerhalb der Bevölkerung gegenüber der DDR. Und deswegen ist es halt ein ständiger Prozess, selbst wenn wir Situationen erreichen, indem wir ja Mehrheiten haben oder indem wir halt auch gesellschaftlich qualitativ was verändern können, heißt es nicht, dass wir frei von Fehlern sind, dass es nicht auch Verbesserungssituationen gibt, dass man sich nicht immer wieder hinterfragen muss. Genau das ist wichtig, das sehen wir als wichtigen Punkt.